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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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Eher nachdenklich. Der Typ Schülerin, der in der Gefahr steht, sich die guten Noten der schriftlichen Arbeiten durch zu wenig mündliche Mitarbeit zu vermiesen, einfach, weil sie nicht redete, ohne zu denken. Ich fand, sie war sehr reif für ihr Alter. Seitdem sie bei uns eine Pause eingelegt hatte, habe ich sie kaum noch getroffen. Vor zwei Monaten ist ihre Oma, Frau Berger, plötzlich gestorben. Da habe ich Julia wieder gesehen. Julia war vom Tod ihrer Oma sehr erschüttert. Die Oma hat ja bei den Molls im Haus gelebt und Julia mit großgezogen. Mir fiel auf, dass Julia schmaler geworden war, sie wirkte auch müde, ganz verständlich eigentlich. Am auffälligsten war, dass sie sich ihre langen Haare hatte abschneiden lassen. Früher trug sie sie bis zur Hüfte, manchmal offen, das sah schon sehr attraktiv aus und war das Auffälligste an ihr. Jetzt hatte sie sich die Haare abschneiden lassen, sie waren nur noch schulterlang. Dadurch wirkte sie erwachsener, auch irgendwie entschlossener, dabei war sie vorher nicht unentschlossen gewesen, aber vielleicht leichter, unbeschwerter, mädchenhafter. Ich habe das Ganze mit dem Tod der Oma in Verbindung gebracht, mit der Trauer um die alte Dame. Bei der Beerdigung war Julia ganz versteinert, kaum ansprechbar. Als ich eine Woche später ihre Eltern besucht habe, erzählten sie mir, Julia wäre im Theater. Sie habe sich entschlossen, bei den Aufführungen weiter mitzumachen. Da bin ich davon ausgegangen, dass sie sich zumindest ein wenig gefangen hatte. Aber geredet haben wir seitdem nicht mehr miteinander. Bis zu diesem Telefongespräch.»
    Tanja hatte sich Notizen gemacht.
    Arne berichtete: «Wir haben das Handy von Julia bei ihr gefunden. Einige Nummern, die sie gewählt hatte, konnten wir sofort identifizieren. Du warst dabei, das war ihr letztes Telefonat, offensichtlich hat sie dich von ihrem Handy aus angerufen. Andere Nummern waren die von ihren Eltern und ihrem Onkel, ihrer Freundin Franziska und von Maximilian, sie hat den Kontakt zu ihm wohl nicht abgebrochen. Eine Nummer gehört einem oder einer gewissen Braun. Das ist wahrscheinlich Thorsten Braun, der Regisseur.»
    Tanja fuhr fort: «Eine weitere Nummer gehört einer Katharina, bei beiden Handys geht aber gerade keiner ran. Wir haben ihnen auf die Mailbox gesprochen, dass sie sich melden sollen. Von der Gerichtsmedizin gibt es noch nichts Neues. Kannst du dir vorstellen, Susanne, dass Julia ein Verhältnis mit einem Lehrer gehabt haben könnte? Du hast ja auch schon daran gedacht.»
    Susanne dachte nach. «Möglich wäre es, sie war ein interessantes, schönes Mädchen. Intelligent und weit für ihr Alter. Trotzdem – ich weiß nicht warum – es passt nicht zu ihr. Diese Heimlichkeiten, die damit verbunden wären – das hätte ich nicht mit ihr in Verbindung gebracht. Aber ausschließen kann ich es sicher nicht. Meint ihr nicht, so etwas müsste auch in der Schule aufgefallen sein?»
    Tanja schüttelte den Kopf. «Nicht unbedingt. Du sagst, sie war intelligent. Wenn der Mann auch schlau war, dann konnten sie sich leicht verabreden, ohne dass jemand etwas mitbekommen hat. Im Handyzeitalter ist das doch ganz einfach. Erschwerend wäre es natürlich, wenn der Lehrer verheiratet ist.»
    Arne war unwillig. «Mir sind das alles zu viele Spekulationen. Ich fürchte, wir kommen von der Spur ab. Tatsache ist doch: Wir haben einen Exfreund, und den müssen wir sprechen. Und zwar bald. Und wir brauchen dringend das Gutachten der Gerichtsmedizin. Ich will wissen, woran das Mädchen gestorben ist.»
    * * *
    Am nächsten Tag hatte Dr. Erler das Gutachten fertig. Er war tatsächlich ein tüchtiger junger Mann. Tanja wippte auf ihrem Stuhl und hörte sich an, was Arne aus dem Bericht vorlas. An der entscheidenden Stelle wäre sie fast nach hinten umgekippt.
    «Julia ist nicht vergewaltigt worden. Sie war zwar nicht mehr Jungfrau, hatte aber an diesem Tag mit Sicherheit keinen Geschlechtsverkehr. Weder an ihrem Körper noch an ihrer Kleidung sind Samenspuren gefunden worden. Todesursache war ein spitzer Gegenstand, der ihr direkt ins Herz gedrungen ist. Er hat sofort zum Tod geführt. Offensichtlich ist dieser Gegenstand, wie Dr. Erler meint, in Schaschlickspießgröße» – Tanja verzog ihr Gesicht -, «erst nach ihrem Tod entfernt worden. Deshalb gab es auch keine äußerlich sichtbaren Blutspuren. Der rote Punkt auf Julias Brust, der auf diese Verletzung hinwies, konnte durchaus auch ein Pickel oder ein winziges

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