Trauerspiel
viel Spaß hatte bei den Proben und bei den Aufführungen. Diese Menschen fehlen, wenn wir Julia im engsten Kreis begraben würden.»
Richard Moll nahm ihre Hand. «Du sprichst mir aus dem Herzen.»
Michael Berger nickte. «Sie war so lebendig, und ich glaube, das junge Leben, das mit uns trauern wird, kann uns trösten und uns beistehen. Trauer teilen tut wohl, habe ich einmal gelesen.»
Susanne schaute die Eltern und den Onkel ruhig an. «Also wünschen Sie sich eine Trauerfeier, zu der alle eingeladen sind, die mit Ihnen um Julia trauern?»
Alle nickten.
«Gut, dann wäre noch die Sache mit der Presse zu klären. Am besten, Sie sagen den Journalisten, die sich an Sie wenden, gleich, dass sie keine Berichterstattung in der Trauerhalle wünschen und auch keine Bilder vom offenen Grab. Falls ich sehe, dass gegen diesen Wunsch verstoßen wird, werde ich die Trauerfeier unterbrechen, bis die Störung aufhört.»
Michael Berger meldete sich zu Wort. «Ich bin ja selbst vom Fach. Ich werde beim Sender Bescheid geben, dass unsere Trauer nicht gestört wird, und entsprechende Mails an die anderen Sender schicken. Das müsste eigentlich klappen. Die wollen ja auch keine Bilder von erzürnten Angehörigen, die auf die Kameras losgehen.»
Susanne holte Block und einen Füller heraus. «Haben Sie Wünsche, die die musikalische Gestaltung betreffen?»
Brigitte Moll nickte. «Julias Chor hat angeboten, dass er singen kann. Und ich fände es schön, wenn die Trauerfeier in St. Johannis stattfinden könnte. Da ist Julia getauft und konfirmiert worden, da soll auch ihr Trauergottesdienst stattfinden. Geht das?»
Susanne nickte. «Das kann ich regeln, und ich verstehe Ihren Wunsch. Wenn der Chor singt, ist in St. Johannis auch genügend Platz. Im Hauptfriedhof wäre es eng geworden. Außerdem können wir von unserer schönen Orgel profitieren und gemeinsam singen.»
Michael Berger nickte. «Das mit dem Singen ist mir ganz wichtig, dass wir als Gemeinde auch mitwirken und nicht nur zuhören. Ich möchte gerne, dass wir ‹Bewahre uns Gott, behüte uns Gott› singen. Ich möchte mir vorstellen, dass Gott Julia jetzt bewahrt und behütet.»
Die Eltern hielten sich fest an den Händen. Susanne sah, dass sie mit Mühe die Fassung bewahrten.
«Haben Sie auch einen Wunsch, was die Lieder betrifft?»
Brigitte Moll nickte. «Wir möchten gern, dass ‹Nun ruhen alle Wälder› und ‹Geh aus mein Herz und suche Freud› gesungen wird. Die letzten Strophen, die passen so schön. Die vom Paradeis.» Brigitte Moll schluckte. «Und als Beerdigungsspruch hätten wir gerne den Konfirmationsspruch von Julia: ‹Eure Liebe sei aufrichtig. Hasst das Böse, liebt das Gute› Das hat so zu Julia gepasst. Sie hatte ein sensibles Gespür für Ungerechtigkeiten. Schon in der Schule hat sie sich immer für Schwächere eingesetzt. Sie mochte es auch gar nicht, wenn ein Lehrer sie bevorzugt behandelt hat, dabei kam das häufiger vor, sie war solch ein attraktives und kluges Mädchen, da lag es nah, ihr eher eine Note besser als schlechter zu geben. Julia hat dann ganz ruhig gesagt: das kann aber nicht sein, der oder die müssten dann auch eine bessere Note haben. Seit drei Jahren war sie Vegetarierin, weil kein Tier für sie sterben sollte. Natürlich ist das auch ein bisschen typisch für das Alter, aber bei Julia war das tatsächlich eine Grundhaltung. Wir haben immer gedacht, sie wird einmal bei Unicef einsteigen oder bei Amnesty International, oder sie wird Ärztin bei ‹Ärzte ohne Grenzen›. Im letzten Jahr hat sie sich auch sehr für Umweltschutz interessiert. ‹Umweltzerstörung tötet Leben, Mama›, hat sie gesagt. ‹Ich verstehe nicht, wie du so ruhig bleiben kannst, wenn um dich herum die Ressourcen der Welt vernichtet werden.› Ein bisschen naiv kam mir das manchmal schon vor, aber ehrlich gesagt sind mir solche engagierten Kinder lieber als junge Menschen, denen ihre Umwelt und die politische Weltlage völlig gleichgültig sind. Es war oft nicht einfach, Julias bohrenden Fragen standzuhalten, aber doch auch eine Freude, ein so aufgewecktes Kind großzuziehen.» Brigitte Moll schluckte wieder.
Susanne meinte: «Ja, mit ihrem Sinn für die Schwächeren und mit ihrem Engagement war sie auch sehr beliebt in ihrer Kindergruppe. Die Kleinen haben sich schon auf den Tag gefreut, an dem Julia wiederkommen würde. Es wird schwer sein, den Kindern klar zu machen, dass Julia nie wiederkommen wird.» Susanne spürte, wie sich die Trauer
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