Trauerspiel
sie könnte etwas herausbekommen, das ihm gefährlich werden könnte.»
«Und was könnte das sein?»
«Keine Ahnung, sie kannte Julia, vielleicht weiß Susanne etwas von dem Mädchen, oder er glaubt, sie könne etwas wissen.»
«Oder Susanne weiß tatsächlich etwas, oder hat etwas gesehen, und kann das, was sie gesehen hat, nicht einordnen. Aber der Mörder weiß, dass es gefährlich ist.»
«Oder er ist einfach nur böse, jemand, der aus Freude Böses tut.»
«Oder», sagte Susanne, und die beiden Kommissare drehten sich erstaunt nach ihr um, sie hatten vor lauter Konzentration die Anwesenheit der Freundin ganz vergessen, «ich weiß etwas, ohne es zu wissen, und er ist böse.»
«Was die Klaas-Selter zu diesem Schreiben sagt, das muss ich euch wohl nicht erklären», meinte Arne. «Wenn sie mitbekommt, dass mehr als der Schatten eines Verdachts auf Susanne fällt, dann sind du und ich aus dem Rennen. Wer glaubt schon, dass Susanne wirklich nichts mit dieser Geschichte zu tun hat, wenn so viele Verdachtsmomente auf sie fallen?»
Susanne ließ sich auf einen Stuhl im Präsidium fallen. «Das meinst du doch nicht ernst? Du glaubst doch nicht, dass ich einem siebzehnjährigen Mädchen irgendeinen Spieß ins Herz steche?»
Arne schüttelte den Kopf. «Ich glaube das nicht. Ich weiß, wer du bist. Ich meine es jedenfalls zu wissen. Aber für jeden anderen, und, ehrlich gesagt, für jeden Polizisten, bist du von nun an verdächtig. Wenn wir das nicht berücksichtigen, dann machen wir uns selbst verdächtig. Das ist ein Problem, das Tanja und ich jetzt haben. Und ich denke, die Mörderin oder der Mörder hat genau das gewollt.»
* * *
«Wirst du mit Weimann über den Brief reden?» Tanja und Susanne liefen nebeneinander durch den Gonsenheimer Wald.
«Das überlege ich auch schon die ganze Zeit. Es ist sicher besser, er erfährt es von mir als durch einen anonymen Brief. Wer weiß, ob der Mörder den Brief auch an den Dekan geschickt hat oder schicken wird, wenn er merkt, dass sich nichts tut. Wer weiß, welche Eskalationen er plant.»
Tanja nickte. «Ich würde es Weimann auch sagen, allerdings scheint er mir ein etwas anderes menschliches Kaliber zu haben als meine werte Vorgesetzte. Eher bisse ich mir die Zunge ab, als mich diesem Weib anzuvertrauen. Was heißt Weib? Ich glaube, Klaas-Selter ist ein Mutant oder ein getarnter Klingone. Wahrscheinlich schlägt unter ihrem rosa Twinset kein Herz, sondern eine ferngesteuerte Mechanik. Aber zurück zu Weimann. Meinst du, er kann das Schreiben einordnen? Immerhin ist es jetzt schon der zweite Mordfall, in den du verwickelt bist.»
Susanne zuckte bekümmert mit den Schultern. «Was kann ich dafür? Du hast recht, es wirkt schon komisch. Aber wem außer Weimann sollte ich es sagen? Etwa dem Kirchenpräsidenten?» Susanne stolperte bei dieser Aussicht über eine hoch liegende Wurzel. «Verdammt, jetzt breche ich mir am Ende wegen unseres Präsidenten noch das Bein», schimpfte sie.
«‹Verdammt› sagt man nicht als Pfarrerin», tadelte Tanja.
«Verdammt und zugenäht, so, da hast du's, und wenn es mich das Fegefeuer kostet, an das ich nicht glaube», motzte Susanne. Dann fand sie wieder in ihren Laufschritt zurück. «Ich werde morgen mit Weimann reden. Wir sehen uns sowieso übermorgen bei einer Veranstaltung der Landeskirche.Aber am besten ist es, ich mache vorher noch einen Termin mit ihm aus und erzähle ihm alles. Ich möchte auch wissen, was er zu der Angelegenheit zu sagen hat. Mich verunsichert die ganze Sache nämlich mehr, als ich mir zunächst eingestehen wollte, das muss ich dir schon sagen», meinte sie dann. «Ich habe gedacht, ich stünde über solchen bösartigen Gerüchten. Das Fiese daran ist, dass sie dir ja nicht offen präsentiert, sondern unter der Hand verbreitet werden. Und dass ich sie nicht widerlegen kann, selbst wenn ich es wollte. Sven ist tot, er war der Einzige, der sagen könnte, dass da wirklich nichts dran ist. Das ist gemein an der ganzen Sache. Ich bin so hilflos, ich kann doch nicht einen Anschlag an der Tür der St. Johanniskirche anbringen: ‹Morgen Lügendetektortest von Pfarrerin Hertz, der beweisen wird: sie vergreift sich nicht an Jugendlichen›. Wobei», Susanne zögerte, «funktionieren diese Tests eigentlich? Was ist, wenn man aufgeregt ist? Also, langsam werde ich wirklich verrückt über der ganzen Sache.»
«Bleib ruhig, Liebste», meinte Tanja, «du kannst sonst nur verlieren. Wenn du anfängst, dich zu
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