Trauerspiel
Sommer blickte Arne nun überhaupt nicht mehr freundlich an. «Das Foto lag in meiner Garderobe. Ich fand es nach der Generalprobe. Aber mehr muss ich zu dieser unerquicklichen Angelegenheit doch gewiss nicht sagen.»
Arne schüttelte den Kopf. «Das ist vollkommen ausreichend, gnädige Frau. Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung unserer Arbeit.»
Tanja mischte sich ein. «Moment noch – können Sie uns dieses Foto zeigen?»
Die Sängerin schaute pikiert. «Meinen Sie, ich hätte mir so etwas gerahmt ins Wohnzimmer gehängt? Nein, ich habe diesen Beweis von Thorstens unseligem Hang zum Personal natürlich sofort in den Papierkorb geworfen.» Die Sängerin hielt einen Augenblick inne als überlege sie, noch etwas zu ergänzen, doch dann schüttelte sie den Kopf und schloss vernehmlich die Tür. Arne und Tanja schlenderten zum Auto.
«Wer ihr wohl das Foto in die Garderobe gelegt hat?», überlegte Tanja, als sie sich anschnallte.
Arne startete den Opel. «Wenn es denn ein Foto gab.»
Tanja war verblüfft. «Diese Zweifel aus dem Mund des großen Bewunderers?»
Arne grinste. «Sie singt wirklich phantastisch. Aber ich bin eben auch Polizist und nicht blöd. Es kann doch sein, dass es gar kein Foto gab.»
Tanja war zweifelnd. «Warum sollte sie es erfunden haben? Nein, ich glaube, es gab ein Foto. Aber wer sagt uns, dass es tatsächlich Julia war, die auf dem Foto zu sehen war?»
Arne stimmte ihr zu. «Oder», überlegte er, «Julia war zwar zu sehen, aber es war eine Fälschung, das ist ja heute mit dem Computer überhaupt kein Problem.»
Tanja betrachtete die Christuskirche, an der sie gerade vorbeifuhren. Wer war eigentlich auf die Idee gekommen, diese schreckliche Betonkonstruktion vor das Gebäude zu knallen? Gab es keine schöneren Rollstuhlrampen?
«Angenommen, das Foto war falsch. Warum hätte denn jemand ein solches Foto fälschen sollen?», fragte sie.
«Cui bono – wem nutzt es?», sagte Arne, «das ist doch die Standardfrage. Oder – wem sollte es schaden?»
Tanja dachte nach. «Und wem sollte es schaden?»
«Nun, Julia natürlich, und auch diesem Regisseur Braun. Ganz sauber ist der ja nicht, denk mal an seine Lügereien heute und an seine Handynummer auf ihrem Handy.»
«Und wem nutzt es?», fragte Tanja.
«Tja», meinte Arne, «wenn wir das wüssten, dann hätten wir den Mörder.»
«Oder die Mörderin», verbesserte Tanja. «Übrigens, sag mal, singt diese Sommer wirklich so gut? Sie hat doch eine grauenhafte Stimme!»
Arne nickte. «Sie singt phantastisch. Sie ist übrigens nicht die einzige Sängerin, die eine schreckliche Sprechstimme und eine wunderbare Singstimme hat. Das kommt öfter vor. Ich frage mich bloß, warum es diese Diva mit diesem schmierigen Jammerlappen aushält.»
Tanja grinste. «Vielleicht, weil er als einziger ihre Sprechstimme erträgt.»
«Sag mal, Tanja, wie fandest du eigentlich dieses Bild?»
«Das Weiße über dem Sofa?»
«Ja genau.»
«Scheußlich.»
«Weiße Scheiße.»
«Etwas ordinär aus deinem Mund, aber besser hätte ich es auch nicht sagen können.»
* * *
Susanne hatte eine ganze Reihe von Geburtstagsbesuchen in ihrer Gemeinde absolviert und kam etwas geschafft nach Hause. Missmutig stellte sie fest, dass das Lämpchen an ihrem Anrufbeantworter blinkte. Wer woll te denn jetzt schon wieder etwas von ihr? Am liebsten hätte sie sich jetzt einfach für einen schönen, langen Mittagsschlaf ins Bett gelegt.
«Hallo, Frau Hertz, hier spricht Michael Berger. Hätten Sie wohl Lust, mit mir zu Mittag zu essen? Ich bin gerade an einem Beitrag zum Thema ‹Wahrheit› und wollte gerne ihre Meinung dazu hören. Wenn Sie bis 13.00 Uhr zuhause sind, freue ich mich auf einen Rückruf. Sonst später.» Es klickte. Susanne sah auf die Uhr. 12.45 Uhr. Michael Berger war also noch zu erreichen. Aber ob sie tatsächlich etwas Interessantes zum Thema ‹Wahrheit› sagen konnte? Ach was, wo blieb denn ihr Selbstbewusstsein in Sachen Theologie? Sie suchte nach seiner Visitenkarte, griff zum Hörer und wählte Bergers Nummer.
«Wir könnten hier in der Kantine etwas essen oder bei einem kleinen Italiener um die Ecke, anschließend zeige ich Ihnen den Sender, wenn Sie wollen», meinte Michael Berger, der gleich am Apparat war.
«Dann lieber den Italiener», entschied Susanne, «ja, und den Sender schaue ich mir auch gerne an.»
«Gut, am besten treffen wir uns direkt bei ‹Gianni›, finden Sie den?»
«Als alte Pfadfinderin werde ich das schon
Weitere Kostenlose Bücher