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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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Naturschützern, die sich vor zwei Jahren von Greenpeace abgespalten hat, weil ihr die Aktionen der Greenpeace-Leute zu lasch waren. Seitdem haben die ProBio-Mitglieder immer wieder spektakulär auf ihre Ziele hingewiesen. Zum Beispiel haben sie im letzten Jahr die Schaufenster mehrerer Bekleidungsgeschäfte eingeworfen und Pelzmäntel mit Farbe besprüht.»
    «Könnte das die illegale Aktion sein, von der Maximilian uns nichts erzählen wollte?»
    «Vielleicht.»
    «Ich glaube nach wie vor, dass ProBio nicht interessant für uns ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Peek & Cloppenburg Häscher engagieren, um Leute umlegen zu lassen, die ihre Pelze besprühen.»
    Tanja kicherte. «Kaum vorstellbar. Aber halt. Hier steht, dass ProBio im Verdacht steht, vor drei Monaten fünf Felder mit gentechnisch verändertem Saatgut abgeflammt zu haben. Das meinte die Kleine also mit der heißen Sache.»
    «Da wird die Universität sauer gewesen sein.»
    Tanja schüttelte den Kopf. «Da war jemand ganz anderes sauer. Das war nämlich eine Privatfirma, BiGenTech, die diese Felder angelegt hat. Hier im Bericht steht, dass der Geschäftsführer, Hans Mertens, einen Verlust in mehr stelliger Millionenhöhe durch den Brand der Felder beklagt. Langjährige Forschungsarbeiten sind durch die Aktion der ProBio-Leute zerstört worden.»
    Arne schrieb den Namen Mertens auf seinen Block. «Ein mehrstelliger Millionenbetrag … diesem Mertens dürfte klar gewesen sein, dass er diese Summe niemals ersetzt bekommt. Die Leute, die seine Felder abgeflammt haben, das sind ja Idealisten, die selbst kein Geld haben, junge Leute, Studenten.»
    «Kannst du dir vorstellen, dass sich dieser Mertens für den Verlust rächen wollte und ein Mitglied der Gruppe deshalb umgebracht hat?»
    Arne überlegte. «Vielleicht, wenn seine Firma durch den Brand Konkurs anmelden musste? Aber trotzdem, gleich ein Mord? Wir sind ja tatsächlich nicht in Rumänien.»
    Tanja markierte eine Adresse auf dem Bericht. «Es hilft nichts, wir müssen auch das Alibi dieses Geschäftsführers überprüfen. Hast du eigentlich schon einmal darüber nachgedacht, wer Julia in Kontakt zu dieser Gruppe gebracht hat? War das ihre Freundin Katharina? Oder hat sie Katharina erst durch die Gruppe kennen gelernt? Das müssen wir auch noch herausfinden. Ich rufe jetzt Katharina an. Ob es ihr passt oder nicht – wir müssen mit ihr reden.»
    * * *
    Katharina lebte in einem kleinen Backsteinhaus, das gewiss einmal einem Arbeiter von HAKLE oder NESTLÉ gehört hatte, bevor Katharinas WG es in Besitz, oder wahrscheinlicher: in Miete genommen hatte. Allein schon die Tatsache, dass es keine Gardinen an den Fenstern gab und man von der Straße aus einen Blick auf Hochbett, Bücher regal und eine Kollektion indischer Seidentücher werfen konnte, zeigte den Bewohnerwechsel an. Katharina hatte gerne Besuch. Darauf wiesen mehrere Teetassen und die vielen Gläser in ihrem Regal hin. Einem Einzelgänger genügt seine persönliche Kaffeetasse. Doch über ihre jetzigen Gäste war Katharina gar nicht begeistert. Etwas missgelaunt saß sie auf einem IKEA-Klappstuhl, ihren bequemeren Schreibtischstuhl und den Sessel hatte sie Arne und Tanja angeboten. Ganz offensichtlich war Katharina einmal gut erzogen worden: für Gäste nur das Beste, und diese Erziehung machte auch bei ungeliebtem Besuch keine Ausnahme. An der Wand hingen Plakate von ProBio, die Tiere in den schrecklichsten Zuständen zeigten, armselige, gequälte Kreaturen, die in Apparaturen geschraubt und mit Drähten verkabelt waren. Tanja überlegte, dass man schon ein stabiles Naturell brauchte, um bei diesem Anblick noch gut schlafen zu können. Katharina sah in der Tat nicht gut ausgeschlafen, sondern ziemlich verquollen aus. Das lag aber wohl weniger an den Plakaten, die Katharina schließlich freiwillig aufgehängt hatte, als an den schrecklichen Ereignissen, die Katharina tief getroffen hatten. Ihre blasse, heute vor Müdigkeit teigig wirkende Haut kontrastierte mit ihrem, wie üblich, knallbunten Outfit. Sie trug heute eine lila Latzhose mit indischer Stickerei am Latz, ein rotes T-Shirt und ein gelbes Tuch im Haar. Nervös nestelte sie an dem aus bunten Lederschnüren geflochtenen Band, das sie am Handgelenk trug. «Ich habe Ihnen doch schon alles gesagt.» Tanja fühlte, dass sie hin- und hergerissen war. Sie mochte diese junge Frau, die sich angenehm von anderen, angepassten Jugendlichen ihres Alters abhob, die sich nur für ihre eigenen

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