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Trauerspiel

Trauerspiel

Titel: Trauerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vera Bleibtreu
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hat Julia damit gemeint?» Tanja startete den Opel.
    «Das ist in der Tat die Frage. Komm, wir fahren noch kurz im Präsidium vorbei, ich will noch eine Anfrage starten, wer von den lokalen ProBio-Leuten schon einmal strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, meinetwegen auch als Falschparker oder als Ladendieb.»
    «Hast du übrigens die Urkunde an der Wand entdeckt?», erkundigte sich Arne.
    «Welche Urkunde?», fragte Tanja. «Ich habe nur diese grausigen Tierversuchsposter gesehen. So genau habe ich aber auch die nicht betrachtet. Ich frage mich, wie Katharina inmitten dieser Schreckensfotos wohnen kann, geschweige denn schlafen.»
    «Tja», meinte Arne, «Frau Klaas-Selter würde dazu nur sagen: ‹Wenn Sie zu sensibel für Ihren Beruf sind, dann lassen Sie sich doch in die Kleiderkammer versetzen, Frau Schmidt!› – aber im Ernst: zwischen den Postern hing die Urkunde.»
    «Was für eine Urkunde?», stöhnte Tanja, «mach es nicht so spannend.»
    «Katharina ist Landessiegerin im Fechten.»
    «Ja, und?»
    «Hast du mal überlegt, dass es gar nicht so einfach ist, einen Menschen zu erstechen!»
    «Schon, aber der Fall Julia zeigt: manchmal klappt es.»
    Arne fuhr ungerührt fort: «Für die meisten Menschen jedenfalls ist es gar nicht so einfach. Außer für die, die es trainiert haben.»
    Tanja grübelte. «Fechter müssen auf den Punkt treffen.»
    «Eben.» Tanja stöhnte. «Eigentlich hatte ich Katharina im Geiste schon von der Verdächtigenliste gestrichen!»
    Arne fischte seinen Block aus der Innentasche seines Sakkos. «Wenn Frau Klaas-Selter erfährt, dass wir nicht einmal nachgeprüft haben, ob sie tatsächlich nach Porto geflogen ist, dann fliegen wir.»
    «Und weißt du womit?»
    «Na?»
    «Mit Recht.»
    * * *
    Zurück im Polizeipräsidium starteten sie die Anfragen. Tanja warf einen Blick auf die Uhr. Eigentlich war es Zeit zum Mittagessen. Aber wenn sie jetzt in der Kantine etwas zu sich nähme, dann wäre sie todmüde. Eine Pause war aber dringend nötig, sie spürte, dass sie sich nicht mehr richtig konzentrieren konnte.
    «Arne, wir haben jetzt alles angeleiert, die Anfragen laufen, ich kümmere mich auch weiter, aber vorher gönne ich mir eine Auszeit. Mal schauen, ob Susanne Zeit für einen kleinen Waldlauf hat.»
    «O.k., ich halte die Stellung.» Arne sichtete die eingegangenen E-Mails.
    Tanja tippte die Nummer ihrer Freundin ins Handy.
    «Hallo, Lust auf körperliche Ertüchtigung?», fragte sie. «Ach, schade, aber viele Grüße an Urs.»
    Arne schaute fragend.
    «Sie kann nicht, sie isst mit ihrem Lebensretter zu Mittag. Urs Bernhardt ist auf einen Sprung in der Stadt. Das passt auch zu diesem Typen, ‹auf einen Sprung›, anders als hüpfend ist er ja kaum vorstellbar. Wahrscheinlich war er in einem früheren Leben ein Känguru. Na gut, dann rufe ich mal meinen Herzallerliebsten an und schaue, ob er mich im Gonsenheimer Wald begleiten möchte. Wenn er nicht gerade in Dubai oder Shanghai ist, könnte ich Glück haben.» Sie hatte Glück.
    «Viel Spaß», rief Arne Tanja hinterher. «Aber vergiss im Taumel der Gefühle nicht, dass wir hier eine Menge Arbeit zu erledigen haben.»
    * * *
    Urs Bernhardt rührte in seinem Kaffee. Die Brühe schwappte in die Untertasse. Urs schaffte es nie, die Milch so in den Kaffee zu gießen, dass ein Spalt bis zum Tassenrand übrig blieb. Er goss die Tasse immer randvoll, und so beobachtete Susanne fasziniert, wie sich langsam eine braune Pfütze in der Untertasse bildete. Sie wettete mit sich selbst, wann Urs einmal die Milch richtig dosieren würde. Braun – da fiel ihr der Otello ein. Zumal sie Urs zum Essen auf das Dach des Staatstheaters ins Restaurant ‹Mollers› eingeladen hatte.
    «Sag mal, Urs, kennst du den Otello?»
    Urs rührte so heftig in seiner Tasse, dass kaum noch etwas in ihr, dafür um so mehr in der Untertasse zu finden war. Aus der Pfütze war ein See geworden. «Blöde Frage, na klar, welchen meinst du, den mit ‹h› oder den ohne?»
    Susanne war perplex. «Jetzt stehe ich auf dem Schlauch.»
    Urs kicherte. «Na, bei Shakespeare hat er ein ‹h› nach dem ‹t› und bei Verdi keins.»
    Susanne schüttelte den Kopf. «Ist doch egal, der Plot wird doch wohl bei beiden der gleiche sein, oder?»
    «Mitnichten!» Urs war entsetzt. «Meilenweite Unterschiede! Bei Shakespeare ist Jago ein Mensch, der aus verletzter Eitelkeit handelt. Bei Verdi ist Jago ein finsterer Ränkeschmied, der aus reiner Bosheit handelt.» Urs schaute seine

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