Trauerspiel
Freunde von ProBio, von der Gemeinde einmal ganz abgesehen, da kommt auch einiges zusammen. Und alle werden hören, dass Sie Julia und Elisabeth Berger getötet haben. Ich werde Sie beim Namen nennen. Ehre, wem Ehre gebührt, dieser grausige Plan soll nicht auf das Konto eines anonymen Journalisten gehen.»
Bergers Lächeln wurde kalt. «Das dürfen Sie nicht.»
Susanne lächelte. «Und ob ich darf. Keiner darf mir vorschreiben, was ich predige.»
«Ich werde Ihren Vorgesetzten anrufen.»
Susannes Stimme klang sehr warm. «Das dürfen Sie ruhig. Ich habe ihn informiert.»
Berger schaute Susanne lauernd an. «Sie haben sich das offenbar genau überlegt. Haben Sie denn keine Angst?»
Susanne spürte wieder diese innere Ruhe. «Nein. Auf dem Parkplatz wartet ein Polizeibeamter. Doch selbst, wenn der nicht da unten im Auto säße: Vor Ihnen habe ich keine Angst.»
Berger überlegte. «Was macht Sie so ruhig und so sicher?»
«Ich hasse Sie nicht, Herr Berger. Mir wird schlecht, wenn ich an das denke, was Sie getan haben, doch ich weiß, dass ich mit Hass mehr mich als Sie verletzten würde. Ich hasse Sie nicht, aber ich hasse das Böse, und ich liebe das Gute. Das ist eine Verpflichtung und eine Aufgabe. Übrigens, das war auch der Konfirmationsspruch Ihrer Nichte: Hasst das Böse, liebt das Gute.»
«Ich werde Sie verklagen», sagte Berger kalt.
«Tun Sie das», entgegnete Susanne. «Aber vorher wird die ganze Gemeinde in St. Johannis wissen, dass ich Sie für Julias Mörder halte. Ich weiß – die Menschen werden mir glauben. Und deshalb wird es übermorgen ganz Mainz wissen. Auch Ihre Kollegen, auch Ihre Vorgesetzten, Ihre Nachbarn und der Bäcker an der Ecke zu Ihrem Haus. Übrigens, falls Sie versuchen sollten, auch mich zu töten – Dekan Dr. Weimann ist informiert und wird die Predigt im Falle meiner Abwesenheit in meinem Sinne halten. Und falls Dr. Weimann ebenfalls «verhindert» sein sollte, hat sich der Propst zur Verfügung gestellt, am Sonntag die Verkündigung in der St. Johanniskirche zu übernehmen. Auch er ist eingeweiht. Ich habe ihm die Situation ausführlich geschildert und er hat mir seine umfassende Unterstützung zugesagt. Sie können nicht im Ernst vorhaben, die gesamte regionale Leitungsebene unserer Kirche umzubringen.»
Susanne dachte an ihr Gespräch mit dem Propst für Rheinhessen. Der umsichtige Weimann hatte darauf bestanden, dass sie den auch informieren müsse.
«Nur für den Fall, dass auch mir etwas passiert», hatte er ruhig am Telefon gesagt. Und so war Susanne noch zu dem roten Backsteinbau gegenüber der Universität gefahren, in dem die Propstei untergebracht war. Nachdenklich hatte sich der Propst ihre Geschichte angehört und ohne viele Worte zu machen seine Unterstützung zugesagt. Propst und Dekan standen nun ebenfalls unter Polizei schutz. Sie waren beide davon nicht begeistert, aber Tanja und Arne wollten kein Risiko eingehen.
Nachher wusste Susanne nicht mehr, wie sie aus Bergers Büro gekommen war. Hatte Berger ihr die Tür geöffnet, hatte sie selbst die Klinke gedrückt? Berger hatte jedenfalls keine Anstalten unternommen, sie zurückzuhalten. Auf dem Parkplatz musste sie sich übergeben, im Auto war sie mit einem Weinkrampf zusammengebrochen. Arne hatte seine liebe Müh und Not mit ihr gehabt. Dann war er mit Susanne zu ihrer Wohnung gefahren und hatte sie ins Bett gebracht. Er selbst schlief neben ihr, weil Susanne einfach jemanden brauchte, der sie im Arm hielt. Lang dauerte es nicht, bis Arne ihre ruhigen Atemzüge hörte, er wunderte sich fast ein wenig darüber. Aber dann dachte er an die fast unnatürliche Ruhe, mit der Susanne an ihre Aufgabe herangegangen war. Da war etwas, das er nicht kannte, was sie aber sicher und ruhig machte. Eine stille, feste Kraft. Lange noch lag er wach neben der schlafenden Susanne. Erst, als der Morgen dämmerte, schlief auch er ein.
* * *
«Du behältst Polizeischutz», erklärte Tanja später. «Mir ist ja nicht klar, wie es dir gelungen ist, sein Büro lebend zu verlassen, aber wahrscheinlich hat er sich in seinen genialen Plänen so sicher gefühlt, dass er meinte, sein Spiel bis in alle Ewigkeiten weiterspielen zu können und war zu verblüfft von deinem Vorhaben. Er musste sich ja unverwundbar vorkommen. Auf die Idee mit der Predigt ist er einfach nicht gekommen.»
Susanne nickte und nippte an ihrem Kamillentee. Ihr war immer noch schlecht.
«Hast du denn eine Idee, wie du das morgen mit der Predigt machen
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