Trauerspiel
musst einfach.»
Marc überlegte. «Willst du streng oder verspielt aussehen, so ein bisschen fransig?»
Susanne schüttelte den Kopf. «Auf keinen Fall fransig. Streng wäre gut, aber nicht zu hart. Am besten wäre es, wenn ich einfach perfekt aussehen könnte.»
Marc grinste. «Beschwer dich bei deinem Chef ganz oben. Ich kann nur Haare schneiden, als Schönheitschirurg bin ich ungeeignet.»
Susanne streckte ihm die Zunge raus. «Im Ernst, Marc, ich muss mich einfach sicher fühlen mit der Frisur. Sie muss gut sitzen, so, dass ich überhaupt nicht an sie zu denken brauche.»
Marc überlegte. «Du, ich glaube, ich weiss, was ich mit dir anstelle. Zu streng wirkt nämlich verkrampft. Ich lasse deine Deckhaare sanft nach innen fallen, unten die Spitzen dürfen ruhig etwas Schwung nach außen haben.»
Susanne nickte. «Klingt gut.»
Eine Stunde später war es auch richtig gut und Susanne zufrieden. «Ich weiß, ich mag das sonst überhaupt nicht, aber betoniere doch bitte heute dein Werk so mit Haarspray ein, dass keine Strähne auch nur die Chance zum Verrutschen hat.»
Marc fixierte die Frisur, und es kam ihm tatsächlich so vor, als ob Susanne irgendwie gerader ging, als sie den Salon verließ. Was sie wohl Wichtiges vorhatte? Sie hatte es ihm nicht verraten.
* * *
Arne wartete im Wagen auf dem Parkplatz des Senders. Susanne hatte es abgelehnt, sich verkabeln zu lassen. Sie trug ihren Strenesse-Blazer, den sie sich von ihrem ersten Gehalt geleistet hatte und seitdem immer anzog, wenn sie fand, dass es drauf ankam, eine schwarze Jeans, die dank Stretchfaktor nicht klemmte und ihre Pölsterchen angemessen kaschierte, ein schwarzes T-Shirt aus Seide und hohe, elegant-schlichte, silbrig-schimmernde Pumps. Im Treppenhaus holte sie noch einmal tief Luft und wiederholte in Gedanken: «Hasst das Böse, liebt das Gute.» Sie merkte, wie sie, tief in sich, ganz ruhig wurde.
Berger öffnete sofort die Tür, so, als ob er dahinter gelauert hätte. «Willkommen, Frau Pfarrerin. Sie sehen gut aus, wie immer.»
«Danke», sagte Susanne.
Das Büro sah unverändert aus. Und doch schien alles ganz anders als bei ihrem ersten Besuch. Hier hatte Berger ihre Stimme aufgenommen und bestimmt schon damals den Plan gefasst, ihr den Mord an Julia in die Schuhe zu schieben. Sie spürte einen kalten Schauer und atmete bewusst ein und aus. «Hasst das Böse, liebt das Gute.» Berger zog die Augenbrauen leicht nach oben.
«Ist Ihnen nicht gut?»
Susanne schüttelte den Kopf. «Alles o.k.»
Berger schaute sie nachdenklich an, dann lächelte er leise. «Setzen Sie sich doch. Kann ich Ihnen etwas anbieten?»
Susanne verneinte. «Danke, aber ich will nicht lange bleiben. Ich möchte Sie nur fragen, warum Sie Ihre Mutter und Ihre Nichte ermordet haben. Und ich möchte wissen, wann Sie sich überlegt haben, dass Sie mir den Mord an Julia in die Schuhe schieben und mich ebenfalls töten wollen.»
Michael Berger lächelte immer noch. «Sie scherzen. Ich weiß nicht, wovon Sie reden.»
Susanne schaute ihn nachdenklich an. Dann nahm sie auf dem Stuhl vor Bergers Schreibtisch Platz. «Gut, versuchen wir es einmal anders. Ich stelle mir einen jungen, ambitionierten Journalisten vor, dem nur eines fehlt: Geld, um seine ehrgeizigen Projekte zu finanzieren. Leider sind seine Vorgesetzten nämlich nicht bereit, ihn im ausreichenden Maße finanziell auszustatten.»
Bergers Lächeln vertiefte sich. Auch er hatte an seinem Schreibtisch Platz genommen und die Hände verschränkt. Susanne fand, er hatte eine Haltung wie früher Pfarrer Sommerauer beim Wort zum Sonntag. Seine Stimme klang auch so verständnisvoll wie die des Fernsehseelsor gers. «So etwas kommt vor.» Er schwieg einen Augenblick. Dann fuhr er fort: «Was unternimmt Ihr Journalist in dieser prekären Situation?»
Susanne konzentrierte sich. Berger hatte angebissen. Jetzt hing alles davon ab, kein falsches Wort zu sagen. «Seine Projekte sind wichtig. Mit ihnen könnte er endlich beweisen, was in ihm steckt. Er weiß, dass er unterschätzt wird. Leider ist seine Mutter ebenfalls nicht bereit, seine Arbeit zu unterstützen. Dabei hätte sie durchaus die Mittel dazu.» Susanne hielt inne.
Berger sah sie abwartend an. «Und weiter – was kann Ihr Journalist da tun? Hat er eine geniale Idee?»
Susanne fiel zum ersten Mal auf, wie eitel Berger war. Es tat ihm offensichtlich gut, dass sie ihm so viel Aufmerksamkeit schenkte. Sie entschloss sich, seinem Ego weiter zu
Weitere Kostenlose Bücher