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Trauerweiden

Trauerweiden

Titel: Trauerweiden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wildis Streng
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sie einen der begehrten Tische vor dem »Da John’s« ergattert. John war ein Sri-Lankesischer Pizzabäcker, der ganz hervorragende Pizza machte. Heiko und Lisa kamen öfter her. Simons Lieblingslocations waren eher Läden wie die Galerie oder das Acanto, wo es gediegener zuging. »Hallo«, sagte John mit einem freundlichen Lächeln und reichte jedem die Karte. »Wie geht’s?« Der Maestro grinste sein gewohntes Grinsen mit seinen sehr weißen Zähnen. Lisa bestellte ein Glas Rotwein und eine Pizza Frutti di Mare, Heiko eine Pizza Speziale und ein Cola und Simon ebenfalls eine Frutti di Mare und Rotwein. Schleimer, dachte Heiko. Uwe bestellte eine ›Hawai‹ und ein Bier, was ihm einen etwas pikierten Seitenblick des Schwaben eintrug. »Diese Majoretten scheinen ja schon ein Publikumsmagnet zu sein«, stellte Lisa fest. Der Schweinemarktplatz füllte sich zusehends. »Sind ja auch hübsch anzuschauen, die Damen«, neckte Heiko. Lisa schickte ihm einen strafenden Blick. »Also ich findä so was überflüssig«, schaltete sich Simon ein. »Das isch doch total marzahlisch. Man solltä doch froh sein, dass der Krieg vorbei ischt.« Lisa lächelte zufrieden. Simon war immer auf ihrer Seite. In Heiko hingegen brodelte es. Uwe sagte, was Heiko dachte: »Schwätz doch net sou an Dreeg, do guckt mr doch geera nou.« Simon duckte sich, als würde er einem Schlag ausweichen wollen, und sah plötzlich sehr verängstigt aus. In seinem Feierabend-Rockeroutfit wirkte Uwe aber auch tatsächlich etwas furchteinflößend. Über seinem Muskelshirt mit Hardrock-Print trug er eine schwarze Lederjacke mit silberfarbenen Nieten. Er hatte in großer Runde schon einmal erzählt, dass er als junger Kerl bei Schlägereien ganze vier Mal die Nase gebrochen hatte, sodass er die Nasenspitze mittlerweile bis auf die Backe herüberschieben konnte. Anschließend hatte er das eindrucksvoll demonstriert und wollte wohl dafür gelobt werden. Die Getränke kamen. Die Nacht war kühl, aber nicht unangenehm kalt. Eine typische Spätsommernacht, über die der Vollmond wachte. Blumenkästen mit Buchsbäumen standen vor dem Restaurant und fassten den »Biergarten« ein. Irgendwo zirpte eine letzte Grille. »Schön hier«, sagte Lisa. Immer mehr Leute kamen herbei, und schließlich mussten sie sich hinstellen, um noch einen Blick auf den Auftritt erhaschen zu können. »Wir kommen gleich wieder, John«, sagte Heiko, als der Auftritt unmittelbar bevorstand. John winkte ihnen, zu verschwinden und sie stellten sich in die Menschenmenge. Durch eine freigeblieben Gasse marschierten die Majoretten zu den Trommeln des Musikzuges ein. Tatsächlich musste Lisa etwas neidvoll eingestehen, dass die Uniformen mit den kurzen Röckchen doch ausgesprochen gut aussahen. Verdammt. Die Majoretten waren nun vollständig aufmarschiert und hielten ihre Stäbe hoch. Schließlich leuchteten die Enden der Stäbe auf, und ein Raunen ging durch das Publikum. Die Musik schwoll an, ein melodischer Trommelrhythmus, Untermalt vom volltönenden Klang einiger Blasinstrumente. Die Majoretten begannen dann, die Stäbe zu wirbeln, in die Höhe zu werfen und sie wieder aufzufangen. Es war ein schöner, bombastischer Anblick, eine seltsame Mischung aus mitreißenden Trommelrhythmen und wohlgeordnetem militärischem Drill, gepaart mit weiblicher Schönheit und kurzen Röckchen. Kein Wunder, dass die Männer darauf standen. Lisa blickte sich um. Dass die Männer um sie herum nicht sabberten, war ein Wunder. Nun gut. Man konnte es ihnen nicht wirklich verdenken. Der Auftritt dauerte vielleicht eine Viertelstunde. Dann applaudierte die Menge frenetisch und die Majoretten marschierten wieder ab. Nur eine blieb im Lichtkegel des Scheinwerfers zurück und lächelte Uwe an, der auf einmal gar nicht mehr rockig, sondern viel eher wie ein kleiner Schuljunge wirkte. »Oh Gott«, stammelte er, »meine Ex.«
     
    Sie hatten Uwes Ex, die sich als Silvia Landmann vorgestellt hatte, zu sich an den Tisch eingeladen. Lisa schaute sehr genau, ob Heiko auf das Röckchen schielte, aber ihr Kollege ergriff demonstrativ ihre Hand. Er war schon ein Schatz.
    »So, die Jessica ist also tot, das ist schrecklich, schrecklich ist das«, befand Silvia.
    »Aber ihr seid trotzdem aufgetreten«, stellte Lisa fest.
    Silvia zuckte die Achseln. »Das haben die Chefdamen entschieden. Ich hätte das Ganze abgesagt, wenn ich was zu melden hätte.«
    Heiko horchte auf. War hier eine Möglichkeit, Interna über die Majoretten

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