Trauerweiden
Gänsetürschild salzteigen würde und die größte Gans »Heiko« nennen würde. Drinnen tat sich was. Elke Schuster kam zur Tür und öffnete. Der Filzabstreifer am unteren Ende der Tür rauschte, als sie aufschwang. »Oh, die Polizei«, machte die üppige Blondine und trat einladend beiseite. Die Kommissare folgten der Frau ins Haus. Im Flur hingen nahezu lebensgroß gerahmte Hochzeitsfotos von ihr und ihrem Mann, die ebenfalls gerahmten Geburtsurkunden der Kinder und ein Familienwappen mit der Aufschrift »Schuster« in Öl.
»Das ist was Neues«, erläuterte Elke Schuster. »Kann man im Internet bestellen. Ist nicht billig, schaut aber toll aus, nicht?«
Lisa nickte höflich, und Heiko sagte »Hm«. Bei sich dachten beide, was für ein abgrundtief hässliches Ding das bloß sei.
»Wollt ihr einen frisch gepressten Orangensaft? Ich bin gerade dabei.«
Heiko schürzte die Lippen, aber Lisa war schneller. Man musste jede Gelegenheit nutzen, Heiko ein paar Vitamine zukommen zu lassen. Wenn er schon Salat mied, wie der Teufel das Weihwasser.
»Setzt euch schon mal«, lud Frau Schuster ein und wies auf die Wohnzimmertür.
Die beiden gehorchten und setzten sich auf das weiße Ledersofa. Die Fenster waren blitzblank, nicht so wie bei Heiko zu Hause. Seine gehörten mal wieder geputzt. Hellgraue Samtvorhänge waren mit schweren Satinquasten zu einer Drapage arrangiert. Ein modernes Acrylgemälde hing an der Wand über dem Sofa, das Heiko insgeheim der Kategorie »Gang zur Garage« zuordnete, und in der anderen Hälfte des Wohnzimmers stand ein massiver Esstisch aus echtem Holz mit gedrechselten Stühlen. Heikos Kunstverständnis sortierte Kunstwerke nämlich in mehrere Kategorien ein: Bilder, die ihm gefielen, hießen »Bild«. Nicht allzu hässliche Bilder konnte man immerhin noch in der Garage aufhängen, noch akzeptable Bilder waren für den Gang zur Garage. Alles andere fiel in die Sparte »Das brennt wenigstens noch«, sofern das Kunstwerk aus Holz, Papier oder anderem brennbaren Material bestand. Immerhin konnte das Werk also als Wärmequelle dienen, im Notfall. Dann gab es noch »Das brennt netmal mehr«. Dies war dann erfüllt, wenn das Kunstwerk nicht nur hässlich, sondern auch noch unnütz, also aus Stein oder Metall, war. Wobei man dazusagen musste, dass Metallkunst immerhin noch Schrottwert hatte. Dieses Bild war jedenfalls eindeutig für den Gang. Und ganz wunderbar passte dazu Frau Schuster, die gerade lächelnd mit einem Weidenkorbtablett mit drei Gläsern Orangensaft in der Tür erschien. Die Gläser waren mit rosa Schirmchen und Strohhalmen versehen. »Ich mache das oft, wisst ihr. Bei meinen Kindern achte ich sehr auf gesunde Ernährung. Ich bin zwar grad ein bisschen zu üppig, aber bei den Kleinen ist das noch wichtiger, gell? Und mit den Schirmchen ist das Ganze fast wie ein Cocktail.« Sie kicherte ein wenig albern, und Lisa und Heiko nickten brav und tranken einen Schluck vom Orangensaft. Er schmeckte wirklich phänomenal gut, und Heiko schnalzte anerkennend mit der Zunge.
»Frau Schuster, wir kommen nicht wirklich weiter, deshalb wollten wir Sie noch ein paar Sachen fragen.«
Elke Schuster stellte lächelnd ihren Orangensaftpseudococktail auf den Tisch. Natürlich nicht direkt auf den Tisch, sondern auf einen Untersetzer aus Mahagonifurnier.
»Ja?«
»Ihr Mann war auch auf diesem Junggesellenabschied?«, fragte Lisa.
Die Frau bejahte. »Bis nachts um zwei. Wissen Sie, man muss die Männer ja auch mal lassen.«
Heiko nickte eifrig. Da hatte sie ja so recht.
»Ja, und Sie waren … ?«, fuhr Lisa fort.
»Ich? Wieso ich?«, fragte Frau Schuster und zog die dünnen Brauen über den wasserblauen Augen hoch.
»Reine Routine«, lächelte Lisa.
»Ich bin Mutter. Ich war da, wo ich sein sollte, nämlich hier.«
»Und, kann das jemand bezeugen?«
»Natürlich, einen Moment bitte.«
Sie stand auf und rief: »Annabella! Heidemarie!«
Schon polterte es im oberen Stockwerk, und wenig später erschienen die beiden Kinder, wieder mit blonden Zöpfen, die von rosafarbenen Satinschleifen zusammengehalten wurden. »Begrüßt die Kommissare, ihr Lieben«, befahl die Mutter, und die Mädchen streckten artig lächelnd ihre Hände hin.
»Erinnert ihr euch noch an den Volksfestfreitag? Wisst ihr, da, wo Papa abends beim Onkel Steffen war?«
Die Kleine zuckte mit der Schulter, aber das größere Mädchen nickte eifrig.
»Und weißt du noch, wo ich an diesem Abend war, Heidemarie?«
»Hier, wo
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