Traum ohne Wiederkehr
peitschenden Wellen dort unten empfand sie keine Angst. Im Gegenteil wärmte eher angenehme Aufregung, berauschend wie Thorsonwein, ihren nur spärlich bekleideten perlweißen Körper.
Hinter ihr befand sich das Gemach, in dem sie aufgewacht waren. Mit seinen Perlmuttwänden, seinen Behängen und dem Teppich von zartem Grünblau war es genauso ein Teil der Seewelt wie die Menschen der Nahsee, denen das nasse Element, das ihre Inseln beschützte und umhüllte, Freund und Vertrauter war. Die See war ihr Leben, und fürchtete man vielleicht den Atem des Lebens?
»Meine Lady …« Die Stimme klang schläfrig aus dem Muschelbett. »Mir scheint, du suchst …«
Sie drehte sich langsam dem Mann zu, der mit der Decke bis zur Brust hochgezogen die Annehmlichkeiten des Bettes zu genießen schien.
»Mein Lord«, antwortete sie und hob ihre Stimme, daß sie den lauten Gesang der Wellen übertönte, »ich denke an Kas.«
Seine grünen Augen verengten sich, und sein Lächeln schwand. In seinem Gesicht, diesem neuen Gesicht, fand sie Wesenszüge, die vielleicht nur sie sehen konnte: die stoische Reserviertheit Starrex’ und die Unsicherheit Hawarels, der beiden Männer, die er gewesen war, und die er auch nicht vergessen hatte.
»Ja, Kas.« Seine Stimme hatte ihre vorherige Wärme verloren. Sie klang müde, als wäre er aus einem angenehmen Wachtraum gerissen worden, um eine neue Last auf sich zu nehmen.
Wachtraum? Was sie jetzt hier hielt, war mehr als ein Traum. Tam-sin wußte, was Träume waren. Sie hatte sie nach ihrem Willen herbeigerufen und aufgegeben. Sie und die Menschen in ihnen waren nur ein Spielzeug für sie gewesen, mit dem sie nach Belieben verfahren konnte. Doch dann hatte sie für Lord Starrex geträumt und sie beide in ein Abenteuer gestürzt, über das sie keine Kontrolle mehr hatte. Ihre Flucht hatte sie irgendwie hierhergebracht, ihnen ein neues Aussehen gegeben, und sie zweifellos zu neuen Abenteuern und Gefahren geführt. Aber wo war Kas, der Vetter ihres Lords und sein Feind, der versucht hatte, in zwei Zeiten und zwei Welten ein Ende mit ihnen zu machen, und der ebenfalls mit ihnen in diese neue Welt gerissen worden sein mußte, wenn er sich auch jetzt nicht unmittelbar bei ihnen befand.
Der Mann setzte sich im Bett auf. Seine Haut war so hell wie ihre, und wo die weichen Decken mit seinem Körper in Berührung kamen, schienen sie seiner Haut einen schwach grünlichen Ton zu verleihen. Sein Haar war von der Farbe des Seetangs, ebenfalls genau wie ihres, das sie im Augenblick in einem Silberspiegel an der Wand sehen konnte.
»Ich bin Kilwar, Lord von LochNar«, sagte er langsam, als wolle er sich selbst von der Echtheit dieser Identität überzeugen. »Welchen Traum hast du diesmal gesponnen, meine Tam-sin?«
»Den einer Welt, in der der Giftkelch von Nath nicht die Lippen unseres Volkes berührte, Lord.«
»Der Giftkelch von Nath, der Verrat an den Seekönigen.« Er runzelte ein wenig die Stirn, als bemühe er sich, sich zu erinnern, nicht mit Kilwars Gedächtnis, sondern mit Starrex’. »Also ging der Kelch an Nath vorbei?«
»So wollte ich es, Lord.«
Er lächelte. »Tam-sin, wenn du die Geschichte verändern kannst, bist du wahrhaftig eine mächtige Träumerin. Ich glaube, LochNar ist mehr nach meinem Geschmack als Hawarels Welt. Aber wie du sagtest, da ist immer noch die Sache mit Kas. Und es wird nicht leicht sein, mit ihm fertig zu werden. Du hast ihn doch mit uns gezogen?«
»Wir waren alle drei traumgekoppelt und hätten ohne ihn nicht hierher gelangen können.«
»Ja, aber offenbar befindet er sich nicht in unserer unmittelbaren Nähe.« Kilwar stand auf. Seine Statur war nicht so kräftig wie Hawarels, und die Kiemenfalten an seiner Kehle bildeten einen Halbkragen aus loser Haut. Und doch umgab ihn, so nackt er auch da stand, die gleiche Aura von Machtbewußtsein, wie es bei Starrex der Fall gewesen war. »Und«, fügte er hinzu, »es gefällt mir nicht, daß Kas nicht hier ist, wo ich ein Auge auf ihn haben kann. Ist es möglich, daß er zum Anfang zurückgekehrt ist?«
»Nein, ganz sicher nicht. Seine Träumerin erwachte dort, ehe ich ihn mit mir zog. Nein, nein, er ist zu eng mit uns verbunden.«
»Meine mächtige Lady!« Er kam mit zwei langen Schritten auf sie zu, und ihr Körper schmiegte sich erfreut an seinen, schien mit ihm zu verschmelzen, als wären beide durch die Kraft dazu bestimmt, die ihnen das Leben gegeben hatte. »Du bist bezaubernd.« Sein Atem hauchte warm
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