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Trauma

Trauma

Titel: Trauma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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Lorrie den Reißverschluss ihrer Handtasche auf und kramte darin. Sie fand die stählerne Nagelfeile.
    Zu ihrer Bestürzung entriss ich ihr das Ding mit meiner freien linken Hand.
    Offenbar erwartete sie, dass ich die Feile wegwerfen würde, aber als ich das nicht tat, sagte sie: »Her damit!«
    »Ich habe Excalibur aus dem Fels gezogen, und nur ich habe die Macht, es zu benutzen«, flüsterte ich in der Hoffnung, Lorrie mit dieser weit hergeholten literarischen Anspielung zu beschwichtigen.
    Sie sah aus, als wollte sie mir einen Faustschlag verpassen, der wahrscheinlich allerhand Wirkung gezeigt hätte.
    Knitter kam angetrottet und ging an uns vorbei. In seiner Arroganz war er sich unserer Verängstigung so sicher, dass er uns tatsächlich den Rücken zuwandte. »Marsch, marsch«, sagte er, »und glaubt bloß nicht, dass ich keine Augen im Hinterkopf habe.«
    Wahrscheinlich hatte er tatsächlich welche. Auf dem Planeten, von dem er stammte, hatte jeder Augen im Hinterkopf.
    »Wo sind wir?«, fragte ich, während wir ihm folgten.
    In seinem Innern tobte ein derart eng gewundener Knoten aus psychopathischer Wut, dass selbst eine direkte, einfache Antwort aus seinem Mund erbittert klang: »Wir gehen gerade unter dem Stadtplatz durch.«
    »Ich meine den Tunnel. Wozu dient er?«
    »Was soll das heißen: Wozu dient er? Es ist ein Tunnel, du Volltrottel.«
    Ohne ihm den Ausdruck krumm zu nehmen, versuchte ich es anders: »Wann wurde er gebaut und von wem?«
    »Schon im neunzehnten Jahrhundert, noch vor den ganzen Häusern. Der Auftraggeber war Cornelius Snow, dieser geldgeile, raffgierige Bastard.«

    »Und wozu?«
    »Damit er insgeheim unter der Stadt herumschleichen konnte.«
    »Wie – war das etwa ein viktorianischer Batman?«
    »Die Tunnels verbinden vier seiner wichtigsten Besitztümer am Stadtplatz … dieses miese Kapitalistenschwein.«
    Während dieses Gesprächs warf Lorrie mir ständig bedeutungsvolle Blicke zu. Sie wollte, dass ich Knitter mit Excalibur ans Leder ging.
    Wie es mit Zauberschwertern so ist, ließ die Nagelfeile viel zu wünschen übrig. Der flache, großteils in meiner Hand verborgene Stahl fühlte sich zwar fest, aber nicht so dick wie ein Messer an. Die Spitze war nicht einmal scharf genug, um anständig in meinen Daumen zu piken.
    Hätte Lorrie Pumps mit Stilettoabsatz getragen statt weiße Tennisschuhe, dann hätte ich Knitter lieber damit attackiert als mit der Feile.
    Auf Lorries immer erbostere Blicke reagierte ich mit den Grimassen eines schlechten Pantomimen. Sie sollten ihr mitteilen, nicht ungeduldig und unbesonnen zu sein und mir einfach Zeit zu lassen, die richtige Gelegenheit zum erfolgreichen Einsatz der Nagelfeile zu finden.
    »Und … welche vier Besitztümer verbinden diese Tunnel?«, fragte ich Knitter, während wir durch flackerndes Kerzenlicht und schmiegsame Schatten gingen.
    Mit zunehmender Gehässigkeit zählte Knitter die Gebäude auf: »Seine Villa, dieser überhebliche Protzbau. Seine Bibliothek, die bloß ein Tempel für dekadente westliche Möchtegernliteratur ist. Sein Gerichtsgebäude, dieses Nest von korrupten Richtern, die für ihn die Massen unterdrückt haben. Und die Bank, wo er die Armen bestohlen und Witwen um ihren letzten Cent gebracht hat.«
    »Er hat eine eigene Bank besessen?«, sagte ich. »Klingt cool.«

    »Von einigen Sachen hat er das meiste besessen, und von fast allem anderen ein bisschen, dieser gnadenlose Blutsauger. Wenn hundert Menschen sich seinen Besitz geteilt hätten, dann wäre jeder von denen immer noch zu reich gewesen, um am Leben gelassen zu werden. Wenn ich damals bloß schon auf der Welt gewesen wäre! Ich hätte diesem Imperialistenschwein den Kopf abgehackt und Fußball damit gespielt!«
    Selbst im unbeständigen Kerzenlicht konnte ich sehen, dass Lorries Gesicht rot und angespannt vor kaum beherrschtem – man hätte fast sagen können hysterischem – Zorn war. Ich brauchte keinen Spezialisten für Mimik, um ihren Ausdruck zu deuten: Los, Jimmy, los, mach schon! Stich den Bastard ab, stich ihn ab! He-jaaa!
    Ich entschied mich, stattdessen den richtigen Augenblick abzuwarten.
    Wahrscheinlich wünschte Lorrie sich inzwischen auch, Pumps mit Stilettoabsatz zu tragen, damit sie sie ausziehen konnte, um mir die Birne zu tätowieren.
    Wenig später kamen wir zu einer Kreuzung mit einem anderen Tunnel. Hier war ein immer noch sanfter, aber stärkerer Luftzug spürbar. Links und rechts warfen weitere Leuchter mit dicken gelben Kerzen

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