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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Bahnhofshalle zu rennen. Wie Schüsse hallten seine Schritte. Aber sie hielt mit. Als er sich umsah, war sie keine zwei Meter von ihm entfernt. Er schlug vor dem leeren Informationsschalter einen Haken und rannte wieder in die Richtung, aus der er gekommen war. Sie zog ihre Stöckelschuhe aus und folgt ihm barfuß.
    Wieder vor dem Bahnhof hechtete er die Treppen zur Domplatte hoch. Jemand pfiff hinter ihm oder Mary her und lachte, doch seine Verfolgerin heftete sich gnadenlos an seine Fersen.
    Die Kirche, dachte er, ich flüchte in den Dom. Vielleicht werde ich sie dort los ... Schon am Eingangsportal ging ihm die Puste aus. Er blieb stehen und rang nach Luft.
    Mary stand vor ihm und sah ihn fragend an.
    „Bitte”, japste er, „bitte lass mich in Ruhe. Hau endlich ab. Du kannst mich nicht ewig verfolgen. Ich will wieder frei sein. Verstehst du? Frei! Ich kann dich nicht gebrauchen in meinem Leben. Ich kann dich nicht beschützen vor Hans und Martin. Heute, ja, für ein paar Stunden, in dieser Nacht. Aber nun mach’s mir nicht so schwer. Verschwinde endlich. Such dir einen anderen Beschützer. Einen von den tollen jungen Kerlen, die glauben, dass sie mir ihren Fäusten Nägel in die Wand schlagen können. Oder geh endlich zurück nach Hause, dahin, wo du hergekommen bist.”
    Ungerührt blieb sie stehen. Wolfhardt Paul rannte los in Richtung Einkaufsstraße. Er wusste, dass es sinnlos war, aber er versuchte noch einmal, sie loszuwerden. Plötzlich knallten hinter ihm nicht mehr ein Paar Beine über das Pflaster, sondern zwei. Jemand packte ihn am Nacken. Ein angriffslustiger junger Mann mit strohblonden Haaren, schwarzer Lederjacke und zerschlissenen Jeans. Mir einer Hand hielt er Wolfhardt Paul im Nacken fest wie ein zum Schlachten aus dem Käfig geholtes Kaninchen, die andere Hand hielt er drohend zur Faust geballt vor Wolfhardts Gesicht. Er war jederzeit bereit, zuzuschlagen. Er konnte es kaum abwarten.
    Mit einem Blick auf Mary fragte er: „Hat er Ihnen was geklaut?”
    Ungerührt stand Mary da.
    Der Junge deutete ihr Schweigen als Zustimmung. „Gib’s ihr zurück, Alter, oder ich polier dir die Fresse.”
    „Ich habe ihr nichts abgenommen, wirklich nicht. Sie verstehen das falsch, junger Mann.”
    „Was dann? Hast du sie gebumst und nicht bezahlt?”
    „Nein, ich ... überhaupt nicht ... im Gegenteil.”
    „Im Gegenteil? Was meinst du damit, Alter? Willst du mich verarschen?”
    Wolfhardt Paul weinte fast. Er hatte schon genug Probleme. Er hatte sich schon einmal wegen ihr geprügelt. Aber das war etwas anderes gewesen. Gegen Hans Wirbitzki hatte er eine Chance. Gegen den hier nicht. Nackte Wut sprang Wolfhardt Paul an. Er wusste, die Prügel würden ihm nicht erspart bleiben. Mary konnte ihm nicht helfen.
    „Fragen Sie sie, fragen Sie sie”, bettelte Wolfhardt Paul. „Ich hab ihr nichts getan. Ich weiß selbst nicht, warum sie hinter mir herläuft. Ich kenne sie gar nicht. Fragen Sie sie um Himmels willen.”
    Der junge Mann liebte es, sich als Richter aufzuspielen und vor Mary großzutun.
    „Stimmt’s, was der Alte sagt?”
    Sie reagierte nicht.
    „Stimmt’s?”
    Keine Reaktion.
    Er ließ Wolfhardt Paul los und wandte sich Mary zu.
    „Ah, Alte, was ist? Geht’s dir nicht gut? Bist du zugedrückt oder was? Warum rennst du hinter diesem Opa her?”
    Wolfhardt Paul nutzte die Chance und floh in Richtung Bahnhof. Bitte, bitte, lasst mich in Ruhe, lasst mich endlich alle in Ruhe.
    Weit hinter ihm brüllte der junge Mann: „Dann haut doch ab, alle beide! Ihr könnt mich mal!”
    Wolfhardt Paul fuhr herum. Nur Mary verfolgte ihn. Zunächst war er erleichtert. Dann spürte er, dass es ihm lieber gewesen wäre, von dem Jungen verfolgt und von Mary in Ruhe gelassen zu werden. Eine Tracht Prügel verheilte, aber wie diese Geschichte hier ausgehen sollte, war ihm völlig schleierhaft.
    „Willst du mich zu Tode hetzen?”, brüllte er.

60
    Für Geld arbeiten zu müssen, empfand Martin Schöller inzwischen als Zumutung. An seinem Job für Lothar Sommer nervte ihn besonders die Arbeitszeit. Fast alles passierte abends, nach der Tagesschau und an Wochenenden.
    Seine Kunden traf er in Weierstadt und Brens. Beim ersten Mal suchte er in der Kneipe noch ein verstecktes Eckchen, um seine Fotokollektion vorzuführen. Seitdem er bemerkt hatte, dass offenes Auftreten Seriosität suggerierte und sogar während des Verkaufsgesprächs neue Kunden brachte, genierte er sich nicht mehr und suchte gut einsehbare

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