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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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als Stumme genommen, aber wenn du reden kannst, dann ...”
    Sie antwortete nicht.
    „Bitte lass mich herein. Lass uns darüber reden.”
    Ihre Zimmertür blieb geschlossen. Er hörte keinen Laut. Eine endlose Zeit blieb er selbst stumm vor der Tür stehen, dann wurde ihm wieder bewusst, dass er alt war. Herzkrank und noch rekonvaleszent.
    Langsam, sich am Treppengeländer festhaltend, bewegte er sich, immer nur eine Stufe nehmend, nach unten. Als er sich aufs Bett warf, hämmerte durch sein Gehirn ein Gedanke, der alle anderen verdrängte: Die anderen dürfen es nicht erfahren. Sie dürfen es nie, niemals erfahren. Für sie muss Mary immer stumm bleiben.
    Er dämmerte einmal kurz ein, sah im Traum wieder die zerschnittenen Fesseln an Marys Bettgestell hängen und fuhr hoch. Wer hatte an ihrer Tür außen ein Schloss angebracht? Warum stand Wolfhardt Pauls Trecker vor dem Haus? Warum hatten sie sie in den Keller gesperrt? Wer so etwas tat, war noch zu ganz anderen Dingen fähig. Sie hatten sie geschlagen, ihr mindestens eine Rippe gebrochen und sie völlig verängstigt. Er hielt die Hände über der Bettdecke wie zum Gebet gefaltet.
    Sie dürfen nie, niemals merken, dass du reden kannst, Mary. Sie würden dich sonst töten.
    Die sind dazu imstande.

59
    Die Nacht ist günstig, dachte Wolfhardt Paul, heute werde ich dich befreien. Es gibt einen Nachtzug von Weierstadt nach Köln. Den werden wir nehmen. Niemand wird uns beobachten. Der Weierstädter Bahnhof ist um diese Zeit tot. Verlassen wie eine Ruine.
    Er schlich an Uschis Zimmer vorbei und hörte darin auch das gleichmäßige Atmen seiner Tochter. Sie war noch geblieben: wegen Papi ... Er lächelte. Sie glaubten, dass er ihre Hilfe brauchte. Sie konnten sich nicht vorstellen, dass er selbst Hilfe spendete. Er war ein Held.
    Die Linde hatte schon geschlossen, und auf dem Weg zu Günther Ichtenhagens Haus begegnete ihm niemand mehr. Lautlos stieg er über den Zaun in Günther Ichtenhagens Garten ein, ging auf leisen Sohlen die Treppen hinauf, denn er hielt es für möglich, dass Martin Schöller unten Wache schob. Er zog den Riegel von der Tür, schloss auf, und als Mary aus dem Schlaf aufschreckte und ihn entdeckte, hielt er ihr sanft den Mund zu.
    „Komm mit mir. Du bist frei. Ich bringe dich in die Freiheit. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Aber sei ganz leise.”
    Er hatte sich vorgenommen, ihre Sachen in eine Plastiktüte einzupacken. Einen Moment lang wollte er sogar Uschis Koffer dafür opfern und mitnehmen, aber nun hatte er in der Aufregung alles vergessen. Sie zog sich ihr Sommerkleid über, nahm die Stöckelschuhe in die Hand und zeigte immer wieder nach unten.
    „Nein, nicht da raus. Wir müssen hier raus. Keiner darf etwas merken. Sei ganz ruhig. Mensch, Mädchen, man muss dich regelrecht zu deinem Glück zwingen. Nun komm endlich! Bist du denn so blöd? Warum zögerst du noch?”
    Sie wollte nicht.
    Sie wehrte sich nicht wirklich, aber sie tat auch nichts. Sie ließ sich herumschubsen, ging einen Schritt nur dann, wenn sie dazu gezwungen wurde.
    „Ich versteh schon, dass du Angst hast. Aber ich will nichts Böses von dir. Ich bringe dich in die Freiheit. In die Freiheit, verstehst du? Du kannst gleich machen, was du willst. Nun komm endlich.”
    Er hatte geglaubt, sie würde auf ein einziges Wort hin hinter ihm herlaufen, sich zwischen den Holzscheiten verstecken und ihm am Bahnhof aus Dankbarkeit um den Hals fallen. In wenigen Minuten wollte er Ichtenhagen mit ihr verlassen haben, jetzt dauerte das Ganze schon fast eine halbe Stunde.
    Verstand sie nicht, warum sie zwischen die Holzscheite kriechen sollte? Selbst als er es ihr vormachte, tat sie es ihm nicht nach. Sie starrte nur immer wieder zum Haus und stand unbeteiligt herum.
    Dann verlor Wolfhardt Paul die Geduld. Er koppelte den Anhänger vom Trecker ab und schob Mary auf den Beifahrersitz über dem rechten Hinterrad.
    Dort hatte Helga früher oft gesessen. Es gab eine Zeit, da liebte sie es, mit ihrem Vater auf dem Trecker hinauszufahren. Das war lange her. Das würde nie, nie wiederkommen.
    Wolfhardt Paul tuckerte los.
    Kurz vor Weierstadt begann ein Autofahrer hinter ihnen wütend zu hupen. Sofort griff Wolfhardt zum Beil. Aber es war nicht Martin Schöller, der ihn überholte, sondern nur ein Betrunkener, der sich über den langsamen Trecker ärgerte.
    Der Weierstädter Bahnhof lag genauso verlassen vor ihnen, wie Wolfhardt Paul es sich vorgestellt hatte. Auch der Fahrkartenschalter

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