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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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den Fahrer zurechtgewiesen zu haben. Schade, dachte er, dass Mary das nicht verstanden hat. Bestimmt hätte es sie gefreut.

57
    Hanne Wirbitzki schaltete den Fernsehapparat ungefragt aus. Hans fuhr hoch. „Hey, ich will das sehen ...”
    Hanne baute sich vor dem Gerät auf und keifte: „Was hast du mit dem Mädchen zu tun? Lüg mir nichts vor! Ich kenn dich! Du bist wieder genauso wie damals. Damals habe ich nichts gemerkt. Aber jetzt. Jetzt merke ich es und ich werde nicht zulassen, dass du unser Leben ruinierst.”
    Hans Wirbitzki setzte sich bequemer hin. Nur nicht aus der Ruhe bringen lassen, dachte er, nur nicht aus der Ruhe bringen lassen.
    „Soll das ein Verhör werden?”
    „Wo sind meine Avon-Proben?”
    „Was für Proben? Glaubst du, ich parfümier mich mit deinem Zeug?”
    „Du hast sie der Kleinen geschenkt! Gib’s zu!”
    Tränen liefen über ihre Wangen und benetzten die schmalen Lippen. Sie wollte nicht weinen. Er sollte weinen. Sie war gern bereit, ihm zu vergeben, aber er musste es wenigstens bereuen. Trotzig saß er da wie ein Klotz und wartete darauf, dass sie endlich den Fernseher wieder einschaltete.
    „Dass du jetzt schon eine aus dem Bordell brauchst, hätte ich nicht gedacht!”
    Sie drehte sich um, damit er ihre Tränen nicht sah. „Überhaupt, ist sie nicht schon viel zu alt für dich? Sie ist mindestens schon siebzehn.”
    Jetzt fuhr er hoch und schnauzte sie an: „Halt endlich die Fresse! Ich hab ihr deine Scheißcremedöschen nicht geschenkt. Sie wollte sie nicht”, setzte er hämisch hinzu.

58
    Es war leer im Chinarestaurant, und die Blicke der wenigen Weierstädter ertrug Günther Ichtenhagen mit einer Mischung aus Stolz und Gelassenheit. Mary zeigte sich keineswegs sicher in der Auswahl der Speisen, sie beriet ihn auch nicht. Er musste auf gut Glück für sie beide auswählen. Er bestellte eine Ente Peking-Art, Sieben himmlische Köstlichkeiten, zwei Wan-Tang-Vorsuppen und zum Nachtisch zwei große Eis. Mit den Stäbchen ging es Günther Ichtenhagen viel zu langsam. Mindestens die Hälfte verlor er auf dem Weg von der Schüssel zu den Lippen. Schon spürte er einen Krampf in den Fingern, aber er machte weiter, ließ es sich wieder und wieder von Mary zeigen. Obwohl er es ungehörig fand, die Schale fast bis an die Lippen zu führen und dann den Reis auf beiden Stäbchen einfach in den Mund zu schaufeln, machte er es mit. Die Decke rund um seinen Teller hatte er voll gekleckert wie ein Fünfjähriger, und er entschloss sich, dies mit einem angemessenen Trinkgeld wieder gutzumachen. Er trank zwei Pils, dann spürte er ein Schwindelgefühl. Sofort ging er zu Mineralwasser über, aber die Kohlensäure setzte ihm ebenfalls sehr zu.
    Mary trank nur ein kleines Fläschchen Mineralwasser, aß aber mit großem Appetit. Nur einmal zeigte sich Besorgnis auf ihrem Gesicht. Offenbar schmerzte ihre gebrochene Rippe. Sie hatte sich zu weit über den Tisch gebeugt, um die Stäbchen in Günther Ichtenhagens Hand günstiger anzuordnen.
    „Morgen wird der Doktor dich untersuchen. Doktor. Arzt. Er ist mein Freund. Doktor Jostich. Hilft dir. Verstehst du? Arzt?”
    Wieder in der Wohnung zurück verabschiedete Günther Ichtenhagen sich schon im Korridor von Mary, während das Taxi von der Auffahrt auf die Straße rollte. Am liebsten hätte er ihr einen Kuß auf die Wange gegeben, um sich für den schönen Tag zu bedanken. Aber er fand das ungehörig. Es stand ihm noch nicht zu. Und seine Angst, sie könne auch diese Geste falsch verstehen, hinderte ihn daran.
    Er umschrieb mit der Hand einen Kreis quer durch die Wohnung und sagte: „Beweg dich frei. Mein Haus ist auch dein Haus.”
    Sie senkte den Kopf und sagte: „Danke.”
    Dann hatte sie es plötzlich ungeheuer eilig, huschte die Treppe hoch und verschwand in ihrem Zimmer.
    „Du ... du ... du kannst ... reden ...”, hauchte er in das Knallen der Tür hinein. Er fasste sich an den Kopf. Massierte seine Schläfen. Sein Mund trocknete in Sekundenschnelle aus. Jede Speichelentwicklung war unterbrochen. Die Zunge pappte am klebrigen Gaumen fest.
    Sie ist überhaupt nicht stumm. Sie ist nicht stumm! Sie hat die ganze Zeit nur so getan. Aber warum? Was ist los?
    Wie zum Hohn auf alle Ärzte goss er sich zunächst einen Aalborg ein, kippte ihn hinunter und ging dann zu Marys Tür. Er klopfte an.
    „Mary! Du kannst reden! Du hast gerade Danke gesagt. Das ist ganz wunderbar! Du kannst sprechen, ich dachte, du seist stumm. Ich hätte dich auch

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