Traumfrau (German Edition)
Arbeitszimmer hast du nie benutzt, aber sie ist da. Wenn du den Apparat dort einstöpselst, können sie nicht verhindern, dass du ein Amt bekommst. Wenn du über Notruf die Polizei in Weierstadt erreichst, brauchst du nur noch ein paar Sekunden, um einen Hilferuf durchzugeben. Es kann gut gehen. Und wenn sie dich danach totschlagen. Die Polizei wird kommen und mit einem bisschen Glück ist sie da, bevor die Jungs die Stahltür zum Olkeller aufgebrochen haben.
Als hätte er Günther Ichtenhagens Gedanken gelesen, lehnte sich Martin Schöller lässig an die Tür zum alten Arbeitszimmer.
Martin versuchte es noch einmal in aller Ruhe: „Die alte Hure hat uns reingelegt, Günther. Dich, mich, uns alle. Sie ist nicht stumm. Sie kann reden, und sie spricht Deutsch.”
„Ich weiß”, sagte Günther Ichtenhagen und betete zum Himmel, dass das Beben in seiner Stimme nicht noch grässlicher werden würde. Nichts ist schlimmer als zu wissen, dass alle wissen, welche Angst man hat.
Jetzt konnte Martin Schöller sich kaum noch im Zaum halten: „Soso, der gute Günther hat es also gewusst! Aber uns nichts davon verraten. Der Herr Lehrer hält uns wohl alle für Idioten, was?”
„Lasst sie in Ruhe”, sagte Günther, „ich gebe euch allen euer Geld zurück. Ich liebe sie. Ich werde sie heiraten. Ihr braucht nichts zu befürchten.”
Hans Wirbitzki bohrte in der Nase. Wolfhardt Paul wollte sich ins Gespräch bringen, sich erklären, wusste aber nicht wie.
Martin Schöller reagierte mit geheucheltem Verständnis.
„Ach wie süß, du willst sie wirklich heiraten. Und dann vermutlich mit ihr hier wohnen, nicht wahr? Ein glückliches Ehepaar in Ichtenhagen. Wir kommen bestimmt alle zu deiner Hochzeit.”
Mit einer theatralischen Geste wandte Martin Schöller sich an Wolfhardt Paul und Hans Wirbitzki: „Was ist schon dabei, wenn unser Skatbruder eine Thaifrau heiraten will? Tausende wollen das. Er erfüllt sich diesen Traum. Das ist für uns ein Grund zur Freude! Ja, lieber Günther, wir wollen, dass du glücklich bist! Wir stiften unseren Anteil für eine rauschende Hochzeit. Eine Hochzeit, wie das Dorf sie noch nicht gesehen hat. So soll es werden, oder nicht?”
Günther Ichtenhagen nickte. „Ja”, schluckte er, „damit alle im Dorf sehen, dass ich es ernst meine. Ich lade alle ein. Ich will nichts Geheimes. Ihr könnt mit euren Frauen kommen und ...”
Ich hab’s geschafft, dachte Günther, ich hab’s geschafft! Sie sehen es ein, ich füge ihnen keinen Schaden zu. Wir können die Polizei aus dem Spiel lassen. Es gibt immer eine Möglichkeit, sich gütlich zu einigen. Warum sollten sie quer schießen?
„Dann hol endlich die Braut, damit wir ihr gratulieren können, Günther!”
Es ist eine Finte. Nicht mehr als ein mieser kleiner Trick, dachte Günther Ichtenhagen und schüttelte den Kopf.
„Du willst sie uns nicht zeigen? Warum denn nicht? Ich denk, wir sind deine Freunde? Wir wollen die ersten sein, die gratulieren. Vergiss nicht – wir haben sie alle schon mal gebumst, deine Braut.” Entschuldigend fügte er hinzu: „Außer Wolfi, oder irre ich mich? Die glorreiche Befreiung habt ihr doch sicherlich in Köln gefeiert, oder nicht, Wolfi? Die Befreier bespringen immer die armen Unterdrückten direkt nach ihrer Rettung, wusstest du das nicht? So ist es üblich in aller Welt.”
Wolfhardt schleuderte beide Aquavitgläser auf den Boden.
„Ich wollte sie wirklich befreien. Ich wollte sie freilassen, richtig freilassen, versteht ihr? Ich wollte ihr die Freiheit schenken, aber diese alte Hure wollte nicht. Ich ... ich ... war fast gestorben vor Angst. Ich hab so etwas noch nie gemacht. Ich hab mich von zu Hause fortgeschlichen. Eine Nacht auf dem Bahnsteig verbracht. Ich bin vor ihr weggerannt. Mein letztes Geld ist aufgebraucht, ich ... mein Trecker ist kaputt. Uschi lässt mich mit ihren Fragen nicht mehr in Ruhe. Ich bin dreckig und bepisst nach Hause gekommen. Bevor dieses Weib kam, war ich glücklich, jawohl, glücklich! Das hat sie aus mir gemacht! Und undankbar ist sie obendrein. Kommt einfach zurück ... Ich lass mich von der nicht länger fertig machen! Sie muss weg! Weg!”
Süß säuselnd näherte Martin Schöller sich Günther Ichtenhagen bis auf Hautkontakt.
Lieber Gott, gib, dass ich nicht zurückweiche, lieber Gott, gib, dass ich nicht zurückweiche! Gib, dass ich jetzt nicht zittere. Gib, dass ich standhaft bleibe!
„Sieh mal Günther, das hat gar nichts mit dir zu tun. Wir sind deine
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