Traumfrau (German Edition)
Eimern. Und ein Gewitter kam in seinem Leben nur vor, wenn ein Fußballspiel übertragen wurde und er es im Fernsehen sehen wollte. Seine ängstliche Mutter drehte dann den Kasten ab, weil sie einen Blitzeinschlag befürchtete.
Nach dem Gespräch mit Lothar Sommer hatte er sich großartig gefühlt. Durchtrieben, hart und abgebrüht. Den Ruhm für seine Taten würde nie wieder ein anderer einheimsen. Unvorstellbar, dass man einmal Schwabbel zu ihm gesagt hatte und er zu schüchtern war, um sich an Helga Paul heranzumachen. Seine erste große Liebe. Im Grunde würde er sie noch heute gerne nehmen. Auch wenn sie etwas von ihrer Anziehungskraft verloren hatte, als sie Udo Tiedemann vorzog. Aber Tiedemann war weg. Hatte das Haus seiner Eltern an einen Privatclub vermietet und niemand wusste, was er nun trieb.
Wenn sie heute ins Dorf käme, um Wolfhardt, ihren Vati, zu besuchen, diesmal hätte er, Martin, eine Chance. Das wusste er. Sie kam nicht.
Aber er sah in der Diskothek San Francisco das Mädchen aus dem Body Building Center wieder.
Die Musik war zu laut für ein Gespräch, aber Blicke reichten aus. Später lagen sie nebeneinander und tranken an gegen das Urteil des anderen und redeten sich doch gegenseitig ein, frei zu sein, unabhängig und locker. Klar hatten alle früheren Liebschaften sie nur vorbereitet auf ihn, und sie dachte das gleiche von ihm. Die ganze Herumvögelei hatte nur dem einen Zweck gedient: dieser ersten Nacht.
Er sprach abfällig über alle Frauen vorher und betonte, dass es mit ihr ganz anders war. Er wusste, dass sie das erwartete und sie gab es ihm mit gleicher Münze zurück. Er war der Größte und hatte den Längsten und keiner hatte es ihr vor ihm so gemacht.
Sie redeten sich gegenseitig besoffen und machten zwischendurch recht ungeschickt miteinander Gymnastik.
Beim Frühstück erinnerte keiner den anderen an den Unsinn, den sie sich in dieser Nacht erzählt hatten und sie waren einander dafür dankbar. Sie versprachen, einander wiederzusehen und wussten, dass sie beide nicht besonders scharf darauf waren. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, die Partnerin fürs Leben zu finden, er brauchte nur ein bisschen Selbstbestätigung, und ihr ging es nicht wesentlich anders. Trotzdem beneidete sie ihn ein bisschen, als er ging. Er schien sich wohl zu fühlen. Bestens gelaunt und zu neuen Taten aufgelegt. Sie hingegen spürte eine Traurigkeit, die sich breit machte wie eine Virusinfektion.
Martin sprach laut zu sich selbst. Sie konnte es vom Fenster aus sehen. Aber sie hörte seine Worte nicht.
„Das Leben ist ein Spiel, Martin. Es beginnt mit der Geburt und es endet mit dem Tod. Dazwischen ist alles drin. Nimm dir, was du kriegen kannst, Junge. Nimm’s dir. Du hast lange genug gewartet.”
22
Martin Schöller verbreitete gute Laune. Als er den Sektkorken gegen die Decke schießen ließ, schlugen die vier nachgemachten Schlüssel, die er um den Flaschenhals gebunden hatte, klingelnd gegen das dicke Glas. Jeder sollte einen eigenen Schlüssel zu Marys Zimmer bekommen. Instinktiv spürte Martin Schöller, dass er bei Günther Ichtenhagen auf Widerstand stoßen könnte. Deshalb hatte er ihn nicht informiert, bevor er die Schlüssel nachmachen ließ. Und er händigte sie auch jetzt nicht einfach aus, sondern machte die Sache zu einem feierlichen Akt. Wer protestierte schon mit einem Gläschen Sekt in der Hand gegen den Anlass? So viel hatte er inzwischen von Lothar Sommer gelernt. Man musste eine Sache nur in den richtigen gesellschaftlichen Rahmen einbetten und schon hebelte man die meisten Bedenken aus, bevor sie formuliert wurden.
Mit einer Heiratsurkunde legte man sich legal eine Sklavin zu, ohne gegen die Regeln zu verstoßen. Man konnte sich gut dabei fühlen. Die Dinge bekamen harmlose Namen und einen netten Anstrich.
Indem Günther Ichtenhagen jetzt mit ihnen auf den Ankauf der Sklavin und die feierliche Einweihung von Marys Wohnung anstieß, indem er zusah, wie jeder seinen Schlüssel entgegennahm, erklärte er sich einverstanden mit der Enteignung seines Hauses. Mindestens die Wohnung mit dem separaten Eingang würde von nun an nicht mehr ihm allein gehören. Und Mary schon gar nicht. Sie alle hatten Schlüsselgewalt und sie würden davon ausgiebig Gebrauch machen.
Ichtenhagen wusste es, und etwas in ihm bat, er solle nicht mitspielen. Die Sache abbrechen, bevor sie ihm über den Kopf wachsen würde, aber er war nicht stark genug, gegen die gute Laune der anderen anzugehen. Er
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