Traumfrau (German Edition)
Züge so groß und heiß geworden, dass jeder Genuss verloren ging. Bitterer, heißer Tabakssaft biss in seine Zunge.
Martin Schöller versuchte, alle zu beruhigen und zu einem sachlichen Ton zurückzukommen:
„Wie soll sie es bemerkt haben? Und selbst wenn – deswegen bringt sich keiner um!”
„Der schon!”, ereiferte sich Hans Wirbitzki weiter. „Der stand so sehr unter der Fuchtel seiner Frau, dass ihm gar nichts anderes übrig blieb, als sich aufzuknüpfen. Ich habe selbst gesehen, wie Günther im Lädchen eine Riesentüte zum Frühstück eingekauft hat. Glaubt ihr, die Alte ist blöd? Die wusste sofort Bescheid!”
Martin Schöller winkte ab.
„Ich sag euch, die Kleine muss weg, bevor hier alles auffliegt. Wir haben doch eine Geld-Zurück-Garantie. Martin kann sie nach Einbruch der Dunkelheit zu diesem Lothar Sommer zurückbringen. Soll er sie doch an einen anderen verkaufen. Die wird er jederzeit los. Die sieht doch gut aus! Und das Geld kann er meinetwegen sogar behalten! Hauptsache, wir schaffen uns dieses Problem vom Hals. Günther liegt im Krankenhaus und Hermann in der Leichenhalle. Das reicht ja wohl!”
Wolfhardt Paul wunderte sich über Hans Wirbitzkis scharfe Worte. Er schwankte zwischen Ablehnung und Zustimmung. Konnte man alles ungeschehen machen? Dass sie das Dorf verlassen sollte, bevor er auch nur ein einziges Mal mit ihr zusammen gewesen war, erschien ihm als gerechte Strafe für sein sündiges Begehren. Nach einer längeren Pause antwortete Martin Schöller knapp:
„Das kommt überhaupt nicht in Frage.”
„Ach, bist du jetzt hier der Boss? Bestimmst du? Grünschnabel!”
Martin Schöller ließ sich nicht von Hans Wirbitzki provozieren. Er nickte entschlossen. Es klang wie eine Feststellung, als er sagte:
„So lange Günther im Krankenhaus liegt, werde ich mich um sie kümmern. Ihr könnt aussteigen, wenn ihr wollt, und ansonsten - bitte schön, sie ist da oben zu eurer freien Verfügung.”
Martin Schöller suchte Blickkontakt mit Wolfhardt Paul.
„Na los, Wolfi, genug geredet. Geh hoch. Du warst doch noch nicht bei ihr, oder? Worauf wartest du noch? Du kannst hoch gehen und die Tür hinter dir schließen.” Grinsend fügte Martin Schöller hinzu: „Wir können uns ja die Ohren zuhalten.”
Hans Wirbitzki fuchtelte mit seiner schwelenden Zigarre vor ihren Gesichtern herum und suchte nach Worten. Als ihm kein Ausdruck einfiel, der seiner Empörung angemessen war, ließ er sich resignierend in Günther Ichtenhagens Fernsehsessel fallen.
Wolfhardt Paul räusperte sich. Sofort zog er die Blicke seiner Skatbrüder an. Bisher hatte er sich noch nicht konkret geäußert.
„Also, ich glaube nicht, dass Hermann sich aufgehängt hat, weil seine Frau Lunte riecht.”
„Warum denn?”
„Ich glaube, dass er ... nun, er hatte ein Problem ...”
„Probleme haben wir alle!”, zischte Hans Wirbitzki, „aber die sind nicht so groß, dass man deswegen Schluss macht. Was soll’s denn gewesen sein, bitte schön?”
Wolfhardt Paul schluckte. „Nun, er war impotent.”
Hans Wirbitzki brauste auf: „Woher willst du das wissen, verdammt nochmal? Und selbst wenn ...”
„Uschi hat es mir erzählt.”
„Deine Frau hat dir erzählt, dass Hermann ...”
„Ja, sie hat es von deiner Frau, Hans.”
„Von Hanne?”
Hans Wirbitzki hatte nie sonderlich gesund ausgesehen. Jetzt war er gelblich wie ein einbalsamierter Leichnam.
„Ja, deine Frau kennt sich aus im Intimleben unseres Dorfes.”
„Ja aber – wieso ...”
„Sie hat als Kosmetikberaterin alle besucht! Was glaubst du, worüber die geredet haben? Über Schminke? Deine Hanne ist so eine Art Seelenklempner für alle Frauen des Dorfes geworden. Und ihr gegenüber hat Hermanns Schlampe so eine Bemerkung gemacht.”
Wolfhardt Paul genoss die Aufregung und das Erstaunen seiner Skatbrüder. Er hatte ihnen etwas voraus. Er spielte diese Karte genüsslich weiter aus.
„Es muss schon mehr als eine Andeutung gewesen sein. Jedenfalls lief seit Jahren nichts mehr zwischen ihr und Hermann.”
Hans Wirbitzki atmete schwer aus. „Und das hat meine Frau dann deiner Frau erzählt?”
Wolfhardt Paul nickte. „Für meine Uschi ist das das Lieblingsthema: Wer es mit wem warum nicht mehr treibt.”
Martin Schöller ertrug die Spannung nicht länger. Er musste aufstehen und etwas tun. Seine Finger brauchten eine Beschäftigung. Fast beneidete er Hans Wirbitzki um die stinkende, nasse Zigarre. Martin ging zum Kühlschrank und sah
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