Traumfrau (German Edition)
harmlos wie möglich, mit einem leichten Scherz auf den Lippen:
„Na, Michael, was hältst du denn davon? Schon mal daran gedacht, dir eine hübsche asiatische Maus zu kaufen?”
Michael warf nur einen flüchtigen Blick auf die Annonce, grinste und konterte:
„Warum soll ich für ein paar Schlitzaugen löhnen, wenn ich in jeder Disko umsonst krieg, was ich brauche?”
„Das ist was ganz anderes. Du kannst so eine thailändische Schönheit gar nicht mit deinem Diskomäuschen vergleichen.”
„Warum nicht? Hat die den Schlitz quer?”
„Du musst mal eine ausprobieren, dann merkst du den Unterschied und vergisst es nie im Leben”, prahlte Martin Schöller und biss kräftig in seinen Eiweiß-Vanille-Riegel.
Das ist es, dachte Martin, genau das ist es. Während Günther im Krankenhaus liegt, kann ich meinen zukünftigen Kunden die Gelegenheit geben, mal kostenlos eine Thaifrau auszuprobieren. Mary kann es schließlich egal sein, wer über sie steigt. Sie wird zu allen gleich nett sein. Sie weiß nichts von den Abmachungen, die wir untereinander haben.
Martin Schöller deutete einen Boxhieb gegen Michaels Schulter an und verkündete:
„Komm mit, Kumpel. Ich glaub, ich hab da was für dich. Das wird dich überzeugen.”
„Du meinst, jetzt sofort?”
„Na los, komm. Du wirst nicht enttäuscht sein.”
„Eigentlich wollte ich noch mit Heinz Brust und Bauch trainieren. Wir sind noch längst nicht fertig. Heinz wird jeden Moment wieder da sein.”
Heinz kam von der Toilette, stellte sich dazu und probierte ohne zu fragen den Eiweiß-Riegel.
„Willst du mich jetzt im Stich lassen oder was, Michael?”
„Ach Heinz, komm am besten auch mit.”
Mit ahnungslosem Gesicht fragte Heinz:
„Ja was denn, worum geht’s denn?”
Martin Schöller zwinkerte ihm geheimnisvoll grinsend zu.
„Vertrau mir. Wir trainieren heute mal einen anderen Muskel.”
41
Dieter Segler saß im Intercity München–Frankfurt und starrte aus dem Fenster. Eine direkte Zugverbindung München–Brens gab es nicht. Er musste in Frankfurt umsteigen und von dort mit dem Bummelzug weiterfahren, der Brens spiralenförmig einkreiste. Er überlegte, ob er sich von Brens mit dem Taxi nach Ichtenhagen bringen lassen sollte, oder doch besser den Bus nahm.
Ein Taxi, so meinte er, weckte zu große Erwartungen. Er trank schon den zweiten Schnaps gegen das Magendrücken. Er würde alles in die Hand nehmen müssen. Die Beerdigungsfeierlichkeiten zu organisieren, war noch das geringste Problem für ihn.
Aber nach der letzten Tasse Kaffee würde es erst richtig losgehen: Was sollte aus Mutter werden, sollte sie alleine in dem viel zu großen Haus wohnen? Konnte sie für sich selbst sorgen? Was sollte aus dem Lebensmittelladen werden?
Beim letzten Telefongespräch hatte er zwischen all ihrem Schluchzen und Jammern deutlich die Frage herausgehört: Soll ich zu dir nach München ziehen, oder kommst du zurück zu mir nach Ichtenhagen?
Nichts von beidem kam für ihn in Betracht. Doch zunächst drängten andere Probleme. Der katholische Gemeindepfarrer weigerte sich, die Beerdigung zu übernehmen. Früher habe man Selbstmördern den Zugang zum christlichen Friedhof verweigert und sie lediglich hinter der Friedhofsmauer verscharrt, heute standen dieser Praxis Gesetze im Weg. Auf öffentlichen Friedhöfen musste Platz für jeden sein, aber ein christliches Begräbnis gab es deswegen noch lange nicht.
Dieser Schock war für seine Mutter mindestens so groß wie die Nachricht vom Selbstmord ihres Mannes. Hermann sollte einfach so verscharrt werden?
Noch aus München hatte Dieter Segler Pastor Möller angerufen. Pastor Möller erinnerte sich gut an Dieter Segler, schließlich hatte er ihm Kommunionsunterricht erteilt. Trotzdem blieb Möller hart. Selbstmord war eine so tiefe, unverzeihliche Sünde, dass Pastor Möller am Grab seinen Segen nicht sprechen wollte. Es käme einer Sanktionierung der Selbsttötung gleich. Auch Dieter Seglers energischer Hinweis darauf, dass sein Vater schließlich ein ganzes Leben lang Kirchensteuer bezahlt habe und nun ein bisschen Service verlangen könne, half nicht weiter. Den Seelenfrieden, so musste Dieter Segler erfahren, kann man nicht erkaufen.
Dieter Segler hatte sich dazu hinreißen lassen, loszubrüllen: „Früher war die Kirche da ganz anderer Meinung! Wurden nicht damals sogar Sündenerlassaktien verkauft? Wie nannten sie diese Freifahrtsscheine?”
Auf dieses Niveau wollte sich Pastor Möller nicht
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