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Traumfrau (German Edition)

Traumfrau (German Edition)

Titel: Traumfrau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus-Peter Wolf
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Frühinvalide. Er schritt weit aus, tänzelte fast, federte in den Kniekehlen nach und summte sein Lieblingslied: Ave Maria.

52
    Er hatte schon ein paarmal daran gedacht, sie ans Bett zu fesseln, aber als sie jetzt wie gekreuzigt vor ihm auf dem Bett lag, erschrak er.
    Sie hatte sich erbrochen. Klümpchen von gelbgrünlicher Magensäure verklebten ihr langes Haar. Wie Wachstropfen trockneten die Magensäfte auf dem Bettlaken und in ihrem Gesicht. Sie hatte auch ein wenig Blut gespuckt. Ihr Kleid war verschwitzt. Ihre Augen fiebrig.
    Er lehnte sich gegen die Tür und sah sie lange an. Unter seinen Blicken begann sie sich zu winden, soweit es die schmerzenden Gelenke zuließen. Hans Wirbitzki hatte den ersten Schrecken überstanden und begann sich mit der Situation anzufreunden.
    „Martin hat dir Saures gegeben, weil du abgehauen bist, hm? So etwas tut ein braves Mädchen auch nicht. Du siehst ja, was du davon hast.”
    Er tastete über die Fesseln an ihrem rechten Bein und tätschelte den blau angelaufenen Fuß.
    „Das tut mir wirklich Leid, musst du wissen. Wir tun dir nicht gern weh. Es wäre viel schöner, wenn es auch ohne das ginge.”
    Er entschloss sich, sie noch nicht loszubinden, sondern ihre Lage noch eine Weile auszukosten. Er sprach mit süßer, beruhigender Stimme auf sie ein, zog die Mettwurst aus der Tasche und hielt sie ihr vors Gesicht.
    „Sieh nur, ich hab dir etwas zu essen mitgebracht. Du hast doch bestimmt Hunger? Das ist eine Mettwurst, so was Gutes gibt’s bei euch bestimmt nicht, hm?”
    Sie reagierte nicht.
    Er schmunzelte. „Ach, ihr habt irgend so ‘ne Scheißreligion, in der Schweinefleisch verboten ist, oder? Keine Ahnung, ob das in Thailand so ist oder in Indien, jedenfalls ist es dummes Zeug. Schmeckt gut, hm, lecker.” Er leckte sich mit der Zunge langsam über Ober- und Unterlippe. „Gut. Sehr gut”, buchstabierte er fast. Dann träufelte er Senf aus der Tube auf das dickere Wurstende und sagte: „Nun mach schon das Maul auf, was anderes gibt es nicht. Los, der Onkel füttert dich! Sei ein braves Mädchen, oder soll ich dir die Nase zuhalten?”
    Sie drehte den Kopf weg.
    „Ja so seid ihr Frauen. Wenn man euch nur ein bisschen Bewegungsfreiheit lässt, schon nutzt ihr sie aus. Willst du mir deine Verachtung zeigen? Das hältst du nicht lange durch. Hier wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Bevor du die Mettwurst nicht verputzt hast, gibt es nichts anderes. Also schau mich an und klapp die Kauwerkzeuge auseinander.”
    Sie versuchte, ihr Gesicht ins Bettlaken zu drücken.
    In seiner Erregung hörte Hans Wirbitzki nicht, dass vor dem Haus ein Trecker hielt. Er durchwatete eine Traumwelt. Das hier hatte nichts mit der Realität zu tun. Hier gab es nur die Frau und ihn. Hier zählten keine Gesetze, hier gab es keine Sozialversicherungsnummern, keinen Notruf, keinen Beistand von moralischen Schönschwätzern.
    Eine Außenwelt existierte nicht. Die Frau war seiner völligen Willkür unterworfen. Sie hatte es längst verstanden und weigerte sich trotzdem noch, es wirklich zu glauben. Es gab noch einen letzten Funken Stolz in ihr. Ein eigenes Ich. Einen Willen zur Selbstbehauptung, und genau diese letzten Reste von Widerstand reizten Hans Wirbitzki. Er wollte sie aufspüren und zerstören. Gleichzeitig brauchte er diesen Lebenswillen in ihr, denn erniedrigen, demütigen konnte er sie nur, solange es noch einen Funken Widerstand in ihr gab, noch eine Schwelle, über die zu gehen sie nicht bereit war.
    Das Geräusch an der Tür ließ ihn herumfahren.
    Fassungslos blieb Wolfhardt Paul im Türrahmen stehen. Für Sekunden weigerte sich sein Verstand, das Bild zu verarbeiten.
    Hans Wirbitzki schloss aus Angst, dass jemand von draußen hereinsehen konnte, die Tür. Dabei kam er Wolfhardt Paul näher als beabsichtigt. Wolfhardts Hände klammerten sich in Hans Wirbitzkis Hemd. So viel Kraft hätte Hans Wirbitzki bei seinem Skatbruder nicht vermutet. Er wollte sich sofort rechtfertigen und ahnte, dass Wolfhardt ihm nicht ein Wort glauben würde.
    „Ich war das nicht. Du kannst sie fragen. Das war Martin. Ich bin nur gekommen, um sie ...”
    „Ein Sittenstrolch bist du. Ein Kinderschänder. Ein Sexualverbrecher. Dich hätten sie nie freilassen dürfen. Niemals.”
    Hans Wirbitzki wich zurück. Aber Wolfhardt zog ihn wieder zu sich heran.
    „Mensch, Wolf, ich hab ihr nichts getan. Komm, wir können sie losmachen. Ich hab ihr was zu essen mitgebracht. Eine Mettwurst und eine Stulle.

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