Traumfrau mit Fangzähnen
hauptsächlich derart wütend auf J, dass ich ernsthaft in Erwägung zog, aus dem Team auszutreten. Ich konnte nur vermuten, warum J so handelte, aber im Grunde tat dies nichts zur Sache.
Auf den ersten siebzig Kilometern versuchte Benny nicht einmal, mich anzusprechen. Sie ließ mich in Ruhe und akzeptierte die Mauer, die ich um mich herum aufgebaut hatte. Doch irgendwann holte sie tief Luft. »Jetzt reiß mir bitte nicht den Kopf ab, aber ich möchte dir gern etwas sagen.«
Ich war in meinem Sitz zusammengesackt und hatte den Kragen meiner Jacke bis über die Ohren hochgezogen. Ich sah Benny nicht an, erwiderte aber mit gedämpfter Stimme: »Na los, spuck’s aus, auf dich bin ich schließlich nicht wütend.«
»Das weiß ich doch. Ich würde J auch am liebsten den Hals rumdrehen. Aber darüber hinaus finde ich, dass du zu Darius gehen und die Sache aus der Welt schaffen solltest. Meinst du nicht auch?«
»Ja, du hast recht. Ich glaube, wenn er sich ein bisschen beruhigt hat, kapiert er auch, dass J mich reingelegt hat. Zwischen den beiden gibt’s schon seit einer ganzen Weile böses Blut. Aber hoffentlich siegt am Ende die Vernunft.«
»Hervorragend! Wir haben einen Plan«, sagte Benny und schlug mit einer Hand so heftig auf das Lenkrad, dass der Wagen auf die Gegenfahrbahn ausbrach. Es war pures Glück, dass wir keinen Unfall bauten.
»Wir?« Erstaunt spähte ich sie über den Kragen meiner Felljacke hinweg an.
»Nichts für ungut, Daphy, aber weißt du überhaupt, wo Darius wohnt?«, fragte sie.
Ich sah wieder stur geradeaus und spürte erneut leichten Ärger in mir aufsteigen. »Nein, weiß ich nicht. Ich weiß auch nicht, was für ein Auto er fährt. Ich wusste bisher nicht einmal, dass er überhaupt ein Auto besitzt. Es gibt viel zu viel, was ich
nicht
von ihm weiß.«
»Hast du denn eine Ahnung, wie wir es erfahren können?«, fragte sie auf eine Weise, die deutlich machte, dass sie mir die Antwort gleich hinterherliefern würde.
»Wie denn?«, fragte ich.
»Wir fragen deine Mutter!«, rief sie, schlug erneut aufs Lenkrad und schickte den Smart auf gerader Fahrbahn in eine S-Kurve.
Ich stöhnte auf. Aber Benny hatte recht. Wenn irgendjemand wusste, wo ich Darius finden konnte, dann Mar-Mar. Wahrscheinlich hatte sie bereits ein ganzes Dossier über ihn angelegt. Nein, nicht nur wahrscheinlich, ganz bestimmt sogar. Ich weiß nicht, warum ich immer noch so naiv bin, wenn es um meine Mutter geht. Man sollte meinen, dass ich nach fast fünfhundert Jahren gelernt hätte, dass nichts, aber auch gar nichts, was mein Leben anbetrifft, von dieser Frau unbemerkt bleibt. »Also fahren wir nach Scarsdale?«, fragte ich.
»Stoßen sich Frösche den Arsch, wenn sie springen?«, erwiderte Benny lachend. »Wo sollen wir denn sonst hinfahren?«
Gegen zwei Uhr morgens parkten wir den Smart in Mar-Mars Einfahrt. Noch bevor wir die Eingangstür erreicht hatten, wurde sie von innen geöffnet. In Schlaghosen und einem Grateful-Dead-T-Shirt wirkte Mar-Mar nicht unbedingt wie eine der mächtigsten Frauen der Welt, und die Zehenringe an ihren nackten Füßen bestätigten diesen Eindruck noch.
»Oh, ihr habt mir mein Auto zurückgebracht! Das ist ja so süß von euch«, sagte sie und klatschte in die Hände. Dann bemerkte sie meinen Gesichtsausdruck und sagte: »Daphne, was ist denn los? Ich habe von J gehört, dass euer Auftrag ein voller Erfolg war, alle in Sicherheit sind und die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Und du siehst aus, als würdest du gleich anfangen zu weinen.«
Genauso fühlte ich mich plötzlich auch. Ich zögerte und wandte den Kopf ab aus Angst, einfach loszuheulen. Benny trat zu Mar-Mar und sprach heftig flüsternd auf sie ein. Mar-Mar nickte, und ihr Gesicht verfinsterte sich. Dann sagte sie: »Daphne, geh rein und setz dich auf die Couch. Ich mache dir eine schöne heiße Tasse Kamillentee und hole meine Unterlagen. Benny, setz dich zu ihr. Ich bin in einer Minute bei euch.«
Als Mar-Mar nach zehn Minuten immer noch nicht wieder aufgetaucht war, wurde ich langsam sauer und wäre am liebsten in die Küche gestürmt, um meine Mutter zur Rede zu stellen. Die ganze Situation war zwar nicht ihre Schuld, aber ich war trotzdem wütend auf sie. Ich wollte schreien, heulen, wollte irgendwie diese furchtbare Leere in mir verschwinden lassen. Benny bemerkte, dass ich unruhig wurde, und legte eine Hand auf meine Schulter. »Atme mal tief durch. Ich weiß, dass du es eilig hast, aber
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