Traumfrau mit Fangzähnen
reg dich nicht zu sehr auf. Noch nicht«, fügte sie mit einem Zwinkern hinzu.
Ich nickte, hatte dabei aber das Gefühl, als befänden sich meine Gefühle im Schleudergang einer Waschmaschine. In diesem Moment betrat Mar-Mar das Wohnzimmer, in der Hand ein Tablett mit meinen Lieblingskeksen, den englischen mit Schokoladenüberzug, und zwei großen Bechern mit dampfendem Tee. Unter ihrem Arm klemmte eine Mappe aus Manilapapier, auf der ein roter Aufkleber mit der Aufschrift ER klebte.
»Da bin ich wieder, Süße«, sagte sie und stellte das Tablett auf dem Tischchen vor mir ab. »Mit etwas Warmem im Magen wird es dir gleich viel bessergehen.«
»Mir geht es dann besser, wenn ich Darius’ Adresse erfahre«, erwiderte ich schroff und wollte ihr die Mappe aus der Hand nehmen.
»Nichts da«, sagte sie und wich zurück. Dann öffnete sie die Mappe außerhalb meiner Reichweite und blätterte durch einige Fotos und beschriebene Seiten.
»Mar-Mar«, schnappte ich, »gib mir die verdammte Akte!«
»Na gut«, erwiderte sie und reichte sie mir. »Aber sag hinterher nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.«
Ja natürlich,
dachte ich.
Wenn es irgendetwas in dieser Akte gibt, das ich nicht sehen soll, dann hättest du es herausgenommen, bevor du damit ins Wohnzimmer gekommen bist. Und ich bin mir absolut sicher, dass du genau das getan hast.
Ich atmete ein paar Mal tief durch, bevor ich die Akte öffnete. Es gab Fotos von Darius, wie er mein Haus betrat, Fotos von ihm und seiner Band, wie er sich mit seiner Bandkollegin unterhielt, die Köpfen nahe zusammen, so dass sie sich fast berührten. Die Eifersucht versetzte mir einen schmerzhaften Stich.
Als Nächstes hielt ich einen ausgedruckten Schnappschuss von einer Digitalkamera in den Händen, der die Sängerin während ihres Auftritts zeigte. Ich studierte das Foto aufmerksam. Ihr Gesicht war Darius zugewandt, doch ihre Mimik war nur schwer zu deuten. Sie lächelte Darius zwar an, aber ihre Augen waren hart und ohne jede Zuneigung. Auf einem weiteren Foto steckte sie Darius eine brennende Zigarette in den Mund, während er Gitarre spielte. Sie schaute in die Kamera, beugte sich gleichzeitig zu Darius und hatte eine Hand auf seiner Schulter liegen, aber irgendetwas an ihrer Körpersprache war merkwürdig. Offenbar wollte sie den Eindruck erwecken, dass er und sie ein Paar waren, doch ich hatte das dumpfe Gefühl, dass es ihr unangenehm war, ihn zu berühren, ja dass sie ihn sogar verachtete. Darius schien vollkommen in seiner Musik aufzugehen und sie nicht zu beachten. Ich blätterte erneut durch die Fotos. Je länger ich die Sängerin betrachtete, desto mehr hatte ich das Gefühl, dass hinter ihrem Verhalten noch etwas anderes steckte. Auf jeden Fall schlief Darius nicht mit ihr. Denn falls er es tat, hätte Mar-Mar alles darangesetzt, dass ich
dieses
Foto ebenfalls zu Gesicht bekam.
Darius’ Adresse stand auf einem Blatt ziemlich zuoberst. Er lebte in Weehawken, auf der Jersey-Seite mit Blick auf den Hudson River, wo Aaron Burr einst in einem berühmten Duell Alexander Hamilton erschossen hatte. Ich faltete das Blatt zusammen und steckte es in meinen Rucksack. Meine Gedanken rasten. Wir würden etwa fünfzig Minuten bis Weehawken brauchen, und die Stunden bis zum Morgengrauen verrannen wie im Flug. Mar-Mar sah mich an, als könne sie meine Gedanken lesen.
»Ich pack dir die Kekse ein, dann kannst du sie mitnehmen«, sagte sie.
Ich sah ihr an, wie besorgt sie war. »Wie soll ich sauer auf dich sein, wenn du mich mit Keksen fütterst?«, fragte ich sie.
Sie lächelte mich an. »Ich lege auch noch ein paar Vitamin-C-Tabletten und Zinkpastillen dazu«, sagte sie und verschwand wieder Richtung Küche. »Stress kann eine Erkältung herbeiführen.« Sekunden später kehrte sie zurück und reichte mir eine Plastiktüte. Benny und ich waren schon fast durch die Tür, als sie mir eine Hand auf den Arm legte und mich zurückhielt.
»Daphne«, sagte sie, »ich würde dir gern noch zwei Sachen sagen.«
Wahrscheinlich, dass sie mich liebte, so wie sie es immer tat.
»Was?«, fragte ich voller Ungeduld.
»Wenn du bei Darius bist, halte die Augen offen. Versprochen?«, sagte sie mit besorgter Stimme.
»Ja, natürlich. Und was noch?«
»Ich werde J den Arsch aufreißen, wenn ich ihn zu Gesicht bekomme«, sagte sie und schloss die Tür hinter uns.
Benny bekam kaum noch Luft vor lauter Lachen und reichte mir die Autoschlüssel. »Du fährst«, sagte sie. »Du kennst dich hier
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