Traumfrau mit Fangzähnen
eingeschlagene Richtung vollkommen verändern können. Meine Rekrutierung von einer ultrageheimen Geheimorganisation und das Treffen mit meinem Boss, einem hochrangigen Militär, den man nur unter dem Namen J kannte, hatten solch einen Richtungswechsel bewirkt. Dank meines Ex-Freundes, Darius della Chiesa, einem ehemaligen Mitglied der Navy SEALs, hatte ich herausgefunden, dass J ein Ranger in einer Spezialeinheit gewesen war. Vielleicht war er es immer noch. Er benahm sich grundsätzlich, als habe er einen Stock im Hintern, doch gleichzeitig war er derart männlich, dass ihm das Testosteron bis in die Fingernägel reichte. Ich muss gestehen, dass ich nicht vollkommen immun gegenüber seiner Ausstrahlung war, doch ansonsten waren J und ich Welten voneinander entfernt. Ja, okay, ich habe ihn geküsst. Zwei Mal. Aber wir haben uns nicht ein einziges Mal über etwas anderes als die Arbeit unterhalten.
Als wir vier durch die Milchglastür von Raum 3001 polterten, lehnte J an der Kante des großen Konferenztisches. Er trug eine sorgfältig gebügelte khakifarbene Hose und ein khakifarbenes Hemd mit Schulterklappen. Schwaches Licht tauchte alles in ein Halbdunkel; Vampire brauchen praktisch überall, wo es heller ist als eine 60-Watt-Birne, eine Sonnenbrille. J stand auf und begrüßte uns. »Bitte setzen Sie sich, meine Herren. Und Damen.« Vier gelbe Schreibblöcke und vier billige Kugelschreiber mit Regierungsaufdruck lagen auf dem Tisch, davor stand jeweils ein Stuhl. Wir setzten uns. Ich richtete den Block so aus, dass er in einem perfekten rechten Winkel zu meinem Stuhl lag, und klickte auf den Kugelschreiber.
»Kommen wir direkt zur Sache«, begann J. Er sprach im Stehen und überragte uns mit seinem großen, muskulösen Körper. Die Hände hielt er hinter dem Rücken verschränkt, und er sah uns mit einer derart ernsten Miene an, als ginge es um eine unheilbare Krankheit. »Es gibt eine Situation, die die Aufmerksamkeit von Team Dark Wing benötigt.«
»Hat es etwas damit zu tun, was heute Abend im Kevin St. James geschehen ist?«, platzte ich dazwischen.
»Agentin Urban, bitte stellen Sie Ihre Fragen erst, nachdem ich Sie über den Fall aufgeklärt habe. Das erspart uns allen viel Zeit«, blaffte er mich an, offensichtlich verärgert über die Unterbrechung.
Ich nickte und versuchte, seine Worte nicht persönlich zu nehmen. J besaß auf zwischenmenschlicher Ebene nicht viel Geschick.
»Die Stadt wird von einer neuen Droge überschwemmt. Sie ist hochgradig Sucht erzeugend, teuer und führt ziemlich häufig zum Tode. Einer von etwa hundert Konsumenten stirbt auf die gleiche Weise wie das Mädchen, das Sie heute Abend gesehen haben. Das Einnehmen dieser Droge ist wie russisches Roulette. Erwisch die Kugel, und peng, du bist tot.
Bis jetzt hat die Presse noch nicht über die Todesfälle berichtet, aber es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie Wind davon bekommt. Wir wollen die weitere Verbreitung der Substanz stoppen. Bis jetzt konzentrieren sich die Dealer nur auf die wohlhabenden Bezirke der Stadt: Wall Street, die Upper East Side, die Kunstgalerien in Soho und einige gehobene Clubs in der Innenstadt. Die Konsumenten sind reiche Studenten, Börsenmakler zwischen zwanzig und dreißig, Debütanten, Promis, Playboys, Models – ich denke, Sie verstehen, worauf ich hinauswill. Sie haben gesehen, was die Droge bewirken kann. Wir wissen jedoch nicht, wie sie diese Wirkung hervorruft, da wir keine Probe der Substanz besitzen, die wir analysieren könnten – noch nicht. Die Droge wird nur sehr exklusiv vertrieben. Man kann sie nicht auf der Straße kaufen. Der Kunde verabredet sich mit dem Dealer für den Kauf der Ampullen, die auf fünf pro Kunde begrenzt sind. Wahrscheinlich soll so verhindert werden, dass die Droge weiterverkauft wird. – Agentin Urban, kann das denn nicht warten?«, fragte er mich, da ich wie eine übereifrige Schülerin die Hand in die Luft reckte.
»Nun ja, ich habe einige Fragen, und ich glaube kaum, dass Sie sie mir sonst beantworten«, beharrte ich.
»Also gut, stellen Sie eine Frage. Aber wirklich nur eine«, sagte J missmutig.
»Warum ist das ein Fall für uns? Warum kümmert sich nicht die Drogenfahndung darum? Oder der Zoll? Oder meinetwegen das NYPD, schließlich haben sie ja bereits Leute darauf angesetzt. Unser Zuständigkeitsbereich ist die nationale Sicherheit, und hier geht es lediglich um ein Drogenproblem. Es scheint zwar keine normale Droge zu sein, aber inwiefern
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