Traumhaft verliebt - Roman
antwortete er wahrheitsgemäß, wobei er der Frage geschickt auswich. Doch er hatte auf jemanden geschossen.
Ein anderer Junge hob die Hand.
Travis deutete auf ihn. »Ja?«
»Weshalb haben Sie letzte Woche meinen Onkel ins Gefängnis geworfen?«, fragte er und kniff herausfordernd die Augen zusammen. »Er hat nichts weiter getan, als auf seinem eigenen Boot ein Bierchen zu trinken.«
Travis kannte diesen Blick. Das Kind war aufgewühlt und zornig. Es hatte eine Zeit gegeben, da hatte er sich selbst genauso trotzig gegenüber Autoritätspersonen verhalten. Als seine Mutter gestorben war und sein Vater sich in sich selbst zurückgezogen hatte, hatte Travis den Halt verloren. Wütend auf das Leben, hatte er Krawall geschlagen, nur um zu sehen, wer darauf reagierte.
»Jimmy«, sagte die Lehrerin, »diese Frage ist nicht angebracht.«
»Das ist schon in Ordnung, Mrs. Tilson, es macht mir nichts aus, sie zu beantworten.« Travis schritt durchs Klassenzimmer auf Jimmy zu, der auf seinem Stuhl immer kleiner wurde. »Ich habe deinen Onkel verhaftet, weil er gegen das Gesetz verstoßen hat. Meine Aufgabe ist es, die Flüsse und Seen für all diejenigen sicher zu machen, die sich daran erfreuen wollen. Betrunken Boot zu fahren ist dasselbe, wie betrunken Auto zu fahren.«
»Er hat niemandem Schaden zugefügt«, murmelte Jimmy.
»Das hätte aber passieren können, hätte ich ihn nicht verhaftet«, sagte Travis ruhig, und dann erzählte er der Klasse als warnendes Beispiel mit sachlicher Stimme die Geschichte von dem betrunkenen Bootsfahrer, der im letzten Sommer auf dem Lake Twilight eine Wasserskifahrerin überfahren und ihr ein Bein abgetrennt hatte. Travis war als Erster an der Unfallstelle eingetroffen, und die Erinnerung daran hatte sich in sein Gehirn eingebrannt.
»Wow« , sagte der Junge, der ihn gefragt hatte, ob er schon mal auf jemanden geschossen habe. »Cooler Job. Wenn ich erwachsen bin, möchte ich auch Jagdaufseher werden.«
»Dann musst du gut aufpassen, vor allem in Naturwissenschaften und Mathematik.« Travis sah sich im Klassenzimmer um. »Gibt es sonst noch Fragen?«
»Können Mädchen auch Jagdaufseher werden?«, erkundigte sich ein nachdenklich dreinblickendes Mädchen mit ernsten blauen Augen und karamellfarbenem Haar.
Sie erinnerte ihn an ein anderes ernstes Mädchen mit blauen Augen und karamellfarbenem Haar, das er einst gekannt hatte – die kleine Sarah Collier. Er fragte sich, wo sie jetzt wohl sein mochte, was aus ihr geworden war. Er hatte sie immer gemocht, und er hatte den Kontakt zu ihr verloren, nachdem ihre Großmutter gestorben war.
»Selbstverständlich können Mädchen Jagdaufseher werden«, sagte er. »Aber denk dran: Jagdaufseher arbeiten draußen, und zwar bei Wind und Wetter. Wir werden nass und frieren, und manchmal brüten wir auch in der Sonne. Wir kämpfen uns durch Sumpfgebiete und stoßen nicht selten auf Spinnen, Schlangen, Käfer und Frösche.«
Das Mädchen reckte das Kinn in die Höhe, was ihn noch mehr an Sarah erinnerte. »Ich mag Spinnen und Schlangen.«
»Das ist gut.«
Genau in diesem Augenblick öffnete sich die Tür zum Klassenzimmer, und eine Hilfskraft steckte den Kopf herein. »Officer Walker?« Ihre Stimme klang angespannt, nervös.
»Ja?«
»Könnten Sie bitte mit mir kommen, Sir?«
Travis wurde unruhig, aber er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. »Aber sicher. Ich komme gleich.«
»Sie müssen bitte sofort mit mir kommen.«
Jetzt bekam er wirklich Angst. »Auf Wiedersehen, Kinder, und lernt fleißig.« Er hob die Hand und folgte der Hilfskraft aus dem Klassenzimmer. »Was ist los?«, fragte er, als sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
»Es geht um Jazzy«, sagte die Frau.
Genau das hatte Travis befürchtet. Er ballte die Hände zu Fäusten und spürte, wie Adrenalin durch seine Adern schoss. Rasch drehte er sich um und eilte zum Klassenzimmer seiner Tochter, die Hilfskraft auf den Fersen.
»Was ist passiert?«, bellte er über die Schulter.
»Sie ist gelaufen …«
Er blieb abrupt stehen und wirbelte zu ihr herum. »Jazzy ist gelaufen?«
»Sie hat es hinter unserem Rücken getan, wir waren …«
»Es ist Ihre Aufgabe, auf sie aufzupassen«, knurrte er zornig. »Sie kennen ihren Gesundheitszustand.«
Besorgt verzog die Frau das Gesicht. »Das stimmt, aber Jazzy ist eigensinnig und macht gern, was sie möchte …«
Er hatte keine Zeit, die Frau zur Verantwortung zu ziehen oder wütend zu sein. Seine Tochter brauchte
Weitere Kostenlose Bücher