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Traumhaft verliebt - Roman

Traumhaft verliebt - Roman

Titel: Traumhaft verliebt - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lori Wilde
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beschädigen. Obwohl seine Mutter durch die Krankheit eingeschränkt gewesen war, hatte sie sich nicht davon beherrschen lassen. Ihre Haut hatte stets geglänzt, und ihr Gesicht war rund und glatt gewesen wie ein weißer Erntemond. Erst später, nachdem Jazzy krank geworden war, hatte Travis realisiert, dass ihr Aussehen von der jahrelangen Höchstdosis an Steroiden hergerührt hatte.
    Als er im Krankenhaus ankam, dachte er an die Nacht, in der sein Vater und er dem Rettungswagen hierher gefolgt waren. Er rief sich ins Gedächtnis, wie die stirnrunzelnden Sanitäter seine Mutter auf einer Bahre hineingeschoben und Travis die Sicht verstellt hatten. Alles, was er von seiner Mutter hatte sehen können, waren ihre Hände gewesen. Die Hände, die einst gemalt und gestrickt und seinen Rücken gestreichelt hatten, wenn er müde gewesen war oder sich nicht gut gefühlt hatte, Hände, die jetzt teigig aussahen und blaue Fingernägel hatten, Hände, die ihn nie wieder festhalten würden.
    Er schüttelte den Kopf, schüttelte die Erinnerungen ab, parkte den Pick-up, hob Jazzy vom Rücksitz und trug sie durch die pneumatischen Türen in die Notaufnahme mit ihrem grellen Neonlicht. Der Angestellte hinter dem Empfang entdeckte ihn und sprang auf. Travis kannte den sommersprossigen Mann von der Highschool. Sein Name war Kip Armstrong.
    »Wir bringen Jazzy in Untersuchungsraum drei«, rief Kip. »Dr. Adams ist schon unterwegs.«
    Travis ging durch die Doppeltüren, vorbei an anderen Patienten, die im Wartebereich saßen. Jazzy bekam eine Sonderbehandlung, was zum Teil daran lag, dass sie so oft hier war. Das Personal war ihr schon fast zur Familie geworden. Zum Teil lag es aber auch an Jazzys übersprudelnder Persönlichkeit. Jeder, der sie kennenlernte, gewann sie auf der Stelle lieb. Auch Mitleid spielte eine Rolle, das wusste Travis. Der alleinerziehende Vater, dessen einziges Kind die unangenehme Angewohnheit hatte, dem Tod an die Tür zu klopfen, tat den Leuten leid. Doch sei’s drum, wenn Mitleid Jazzy zu einer schnelleren Behandlung verhalf, würde er das gern akzeptieren.
    Das medizinische Personal scharte sich um ihn, als er Jazzy mit einstudierten Bewegungen wie bei einer Choreografie auf den Behandlungstisch legte. Es war, als würde ein stummer Regisseur auf telepathischem Wege Anweisungen erteilen. Schwester Nummer eins maß ihren Blutdruck. Schwester Nummer zwei schloss das Sauerstoffmessgerät an ihrem Zeigefinger an. Der Laborant nahm aus der Arterie Blut zur Blutgasanalyse ab, während ihr der Atemtherapeut den Albuterol-Vernebler anlegte.
    Jazzy saß aufrecht, an Kissen gelehnt, und beugte sich mit an die Brust gezogenen Knien vor, darum bemüht, zwischen den Hustenanfällen, die ihren kleinen Körper schüttelten, wieder Atem zu schöpfen. Travis ballte die Fäuste. Er fühlte sich so verdammt hilflos.
    Im Kopf vernahm er die Stimme seiner Exfrau. Sieh der Realität ins Auge, Travis. Sie wird sterben.
    Bei ihm nicht, auf gar keinen Fall. Verschwinde aus meinem Kopf, Crystal , knurrte er leise. Du hast gekniffen. Du bist diejenige, die die Menschen aufgibt. Nicht ich. Niemals. Du hast deine elterlichen Rechte verspielt, als du aus unserem Leben spaziert bist, weil du zu schwach warst, dich um deine kranke Tochter zu kümmern.
    Warum zum Teufel dachte er eigentlich an Crystal? Er vermutete, dass sein Unterbewusstsein seine Exfrau als Ziel seiner hilflosen Wut zutage gefördert hatte. Er erinnerte sich, wie er vor vier Jahren mit Crystal in ebenjener Notaufnahme stand, als Jazzy ihren ersten Anfall erlitten hatte.
    »Das hat sie von deiner Mutter geerbt«, hatte Crystal anklagend hervorgestoßen. »Es ist deine schlechte DNS, die sie krank gemacht hat.«
    Er hatte in seinem Leben noch nie den Wunsch verspürt, eine Frau zu schlagen, aber in jenem Moment hätte er es am liebsten getan, hauptsächlich weil sie den Knopf mit seiner schlimmsten Befürchtung gedrückt hatte: dass ein Makel an ihm haftete und dass es seine Schuld war, dass ihre Tochter so krank war. In jenem Jahr waren siebenunddreißig weitere Anfälle gefolgt, einer schlimmer als der andere.
    Sie hatten Jazzy von Spezialist zu Spezialist geschleppt und zwei Wochen in einer pädiatrischen Klinik für Atemwegserkrankungen in Austin verbracht. Ein Quacksalber hatte vorgeschlagen, ihren rechten Lungenflügel zu entfernen, welcher stärker betroffen zu sein schien als der linke. Häufig stellte sich zusätzlich zu den Asthmaanfällen Fieber ein, und niemand

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