Traumhaft verliebt - Roman
damit beschäftigt, rund um die Rasenfläche des Rathauses verschiedene Bühnen aufzubauen. Weihnachtssänger trällerten ihre Lieder und probten ihre verschiedenen Stimmlagen. Straßenverkäufer errichteten die Stände, an denen sie ihre Waren feilbieten wollten: viktorianisch geprägtes Kunsthandwerk, Kleidung, Schmuck und Weihnachtsartikel.
Am Freitagabend wurde die Veranstaltung offiziell mit einem Laternenzug eröffnet, »Königin Viktoria« an der Spitze, gefolgt von Umzugswagen, auf denen die verschiedenen Figuren aus den Romanen von Charles Dickens zu sehen waren. Auf dem letzten Wagen thronte traditionsgemäß der Weihnachtsmann. Von all den Festivitäten, die diese Festivals liebende Stadt veranstaltete, hatte das Dickens-Festival Sarah stets am besten gefallen. Dieser Festzug, der das neunzehnte Jahrhundert in England zum Thema hatte, sprach irgendwie ihre romantische Natur an.
Ja, damals, als du fünfzehn und ein albernes kleines Mädchen warst.
Sie schüttelte den Kopf und blickte aus dem Fenster. Ihre Augen blieben an den Männern in der Menge hängen. Beim Anblick eines großen, dunkelhaarigen Mannes machte ihr Herz einen seltsamen kleinen Satz, und Sarah stellte fest, dass sie unbewusst nach Travis Ausschau hielt. Der Mann drehte sich um, und als sie sah, dass er nicht Travis war, stieß sie mit einem langen Seufzer die Luft aus, die sie, ohne es zu merken, angehalten hatte.
Vor einem restaurierten, blassrosa gestrichenen viktorianischen Haus hielt der Fahrer an. Über den ganzen Vorgarten waren Engel verteilt. Auf dem Schild vor dem Eingang stand: »The Merry Cherub – Bed & Breakfast«. Der Name passte – hier schien es vor fröhlichen Cherubim zu wimmeln.
Sarah ging die Stufen hinauf, doch bevor sie läuten konnte, wurde schwungvoll die Tür von einem Mann mittleren Alters geöffnet, der in Charles-Dickens-Manier gekleidet war: Zylinder, Gehrock, Spazierstock. Er wirkte auf charmante Weise originell und gleichzeitig absolut lächerlich.
»Hallo, Miss Cool«, dröhnte er und streckte die Hand aus. »Bürgermeister Moe Schebly. Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen.«
Sarah gab ihm die Hand, die er auf- und abschwenkte, als versuchte er, Wasser zu pumpen. »Vielen Dank für die Einladung, Herr Bürgermeister.«
»Wir freuen uns, dass Sie sich trotz Ihres vollen Terminkalenders Zeit für uns genommen haben.«
»Es ist mir ein Vergnügen.«
»Wenn es nicht zu viel verlangt ist, würde ich gern rasch mit Ihnen die Details der heutigen Abendveranstaltungen und Ihre Aufgaben besprechen, bevor Sie Ihr Zimmer beziehen.« Er tippte auf seine Armbanduhr. »Charles Dickens muss sich an einen straffen Terminplan halten.«
»Ich verstehe.«
Der Bürgermeister zog eine Broschüre und ein zusammengefaltetes Blatt Papier aus seiner dunkelgrauen Weste und reichte es ihr. »Sie nehmen natürlich an dem Umzug teil, Sie sitzen zusammen mit dem Weihnachtsmann und der kleinen Jazzy auf dem letzten Wagen. Sie müssen kein Kostüm tragen, obwohl ich mir die Freiheit herausgenommen habe, mehrere Gewänder in Ihrem Zimmer zurechtzulegen, sollten Sie sich doch dafür entscheiden.«
»Ähm … gut.«
»Wenn Sie irgendwelche Fragen haben, rufen Sie mich auf dem Handy an; ich habe die Nummer auf dem Blatt mit Ihren Terminen notiert.«
»Vielen Dank.«
»Um siebzehn Uhr sehe ich Sie auf dem Football-Platz der Highschool. Dort machen wir die Umzugswagen fertig. Ich habe Ihnen der Einfachheit halber einen Stadtplan beigelegt«, sagte Bürgermeister Moe alias Charles Dickens. »Jetzt muss ich mich aber beeilen! Bis später!«
Und damit war er verschwunden.
Eine Frau, etwa zehn Jahre älter als Sarah, hatte hinter dem hastig seine Instruktionen herunterratternden Bürgermeister gestanden. Auch sie trug viktorianische Kleidung. Die alte Sarah hätte bei all dieser Romantik geseufzt, Sadie Cool dagegen fragte sich, wie unbequem dieses Korsett wohl sein mochte.
»Hallo.« Die Frau lächelte warmherzig. »Ich bin Jenny Cantrell; meinem Mann Dean und mir gehört das Merry Cherub. Es ist wunderbar, Sie kennenzulernen, Miss Cool. Bitte folgen Sie mir, ich zeige Ihnen Ihr Zimmer.«
Erst jetzt konnte Sarah einen Blick auf die Einrichtung werfen. In stummem Erstaunen schaute sie sich um. Das B&B war überflutet von Engeln. Engel waren auf der dicken Velourstapete. Von der Decke hingen Engel-Mobiles, die sanft in der aufsteigenden Heizluft schaukelten. Engel waren in die Holztreppe geschnitzt und in die beeindruckenden
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