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Traumjäger (German Edition)

Traumjäger (German Edition)

Titel: Traumjäger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Talbiersky
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als sie sie ihm reichte. Mit leichtem Finger prüfte er die scharfe Kante der Axt. Ich sah sie im Feuerschein aufleuchten. Ich wusste, was das hieß. Ich wusste, was nun kommen würde. Obwohl ich versuchte, es zu verhindern, zitterte ich wie Espenlaub. Ich vermute, der Traumlose neben mir war einfach zu abgelenkt durch die Ereignisse, die da vorne passierten, sonst hätte er meine Furcht sicherlich bemerkt. Und dann wäre erst recht alles vorbei gewesen. Reiß dich zusammen, Andy!
    Sorgul legte die kleine Uhr behutsam auf den Marmortisch, der vor ihm stand. Mit den Armen stützte er sich auf die schwere Axt.
    „Wie hast du die Uhr genannt, alter Mann? Das Herzstück der Träume?“ Sorgul wandte sich Tom zu, der mit starrem Blick dem Geschehen folgte. Er regte keine Miene. Ich konnte nur erahnen, was in ihm vorging.
    „Das Herzstück der Träume… Tsss, wieso nennst du es ausgerechnet so?“, Sorgul schmunzelte bösartig. „Gerade du müsstest doch wissen, Traumjäger, wie leicht ein Herz zerbricht!“
    Er deutete mit dem Kopf zu der Traumlosen, die ihm die Axt gebracht hatte. Sie stand neben seinem Thron. Das lange, schwarze Haar umrahmte ihr graues Gesicht. Mit leeren Augen blickte sie Tom an. Tom schluckte. Ich sah, wie er mit sich rang.
    „Danke, Thea!“, rief Sorgul. Die Traumlose wollte wieder gehen. „Nein!“, hielt der Herrscher sie zurück. „Du kannst ruhig hier stehen bleiben. Wir haben diesen Tag schließlich auch dir zu verdanken, meine Liebe.“
    Die schwarze Gestalt stellte sich wortlos wieder neben Sorguls Thron.
    „Dorothea?“, flüsterte Tom ungläubig. „Dorothea, bist du es?“ Doch die Frau achtete nicht auf ihn.
    „Also gut“, Sorgul hob die Axt über seinen Kopf – bereit sie mit voller Wucht, auf die unschuldige, kleine Uhr zu schmettern. Sein Mund verzog sich zu einem schäbigen Lächeln. „Aus der Traum!“

    „NEIN!“
    Verwirrt ließ Sorgul die Axt unverrichteter Dinge sinken. „NEIN!“
    Tom schrie, aber nicht auf ihn richteten sich die Blicke. Nicht ihn schauten sie an – sondern mich: Sorgul, die Wächter, die Traumlosen, Tom… mich, denn auch ich war es, der schrie.

Kapitel 21

    Auf schmalem Grat

    K ennt ihr das Geräusch der Stille? Ja, ich wollte es auch nicht glauben, aber es ist tatsächlich so: Die Stille hat ein Geräusch! Und das Geräusch der absoluten Stille ist sogar ohrenbetäubend!
    Es war ein Moment ebendieser absoluten Stille, die in den Ohren dröhnte, als Sorguls Augen die meinen trafen. Niemand wagte etwas zu sagen, alle hielten den Atem an.
    „Sieh mal an.“ Sorguls Stimme ließ es mir kalt den Rücken hinunter laufen. „Ein kleiner Knecht wagt es, den dunklen Herrscher zu unterbrechen?“
    Er warf die Axt aus den Händen. Laut klirrend fiel sie auf den harten Felsboden. Ich wich einen kleinen Schritt zurück. Langsam, geschmeidig, lief der Fürst der Dunkelheit die Treppen hinunter und kam auf mich zu.
    Einen kurzen Moment dachte ich daran zu fliehen. Doch nur einen kurzen Moment, denn zum einen: wohin sollte ich gehen? – Es wimmelte hier von Traumlosen; zum anderen packten mich schon die starken Hände der schwarzen Gestalten neben mir. Ein Entrinnen war unmöglich.
    Und so stand ich nun zitternd und klein vor dem Herrscher der Dunkelheit, dessen stechende Augen mich prüfend musterten.
    „Oder täusche ich mich etwa? Bist du vielleicht gar nicht mein Knecht?“ Sorgul streckte seine knöchrige Hand nach mir aus und hob mein Kinn hoch, sodass er mir in das verhüllte Gesicht blicken konnte. Ich erschauderte unter der eisigen Berührung. Seine Mundwinkel hoben sich fast unmerklich, und seine Augen wurden ganz schmal. Dann riss er mir mit einem Ruck die Decke von Kopf und Schultern. Meine Tarnung war aufgeflogen. Da stand ich, blond und blauäugig, in Pullover und Jeans, inmitten einem schwarzen Heer von Traumlosen – und der schlimmste von ihnen, der stand direkt vor mir!
    Spöttisch blickte er auf mich herab. Sorguls blasser Finger wischte über meine Wange. Grauer Staub heftete daran, den er langsam zwischen den Fingern zerrieb. „Asche – wie geschickt!“, zischte er mir leise ins Ohr. Dann rief er laut über die Menge hinweg:
    „Seht, treue Diener und Knechte, seht, wer mitten unter euch steht! In eine Pferdedecke gehüllt, Asche im Gesicht – ein kleiner Träumer. Ein Träumer, mitten unter euch! – Und ihr merkt es nicht !“ Die letzten Worte klangen drohend.
    Sorguls Volk starrte betreten zu Boden. Ein verlegenes Murmeln

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