Traumjaeger und Goldpfote
Kätzchen benehmen, sagte er zu sich selbst. Ich werde den richtigen Augenblick abwarten. Endlich war die
Mre’az
seiner Meinung nach so weit von ihrer Höhle entfernt, wie es notwendig war. Als die Maus ihm kurz den Rücken zuwandte, schob Traumjäger seine Vorderpfote vor und ließ sie langsam über den Rand der Böschung gleiten, sogleich innehaltend, wenn die Maus im Begriff schien, sich wieder umzudrehen. Nach und nach streckte er sie überaus behutsam nach unten aus, bis er spürte, dass die schwache Strömung des Nacht-Wirbels das Fell seines ausgestreckten Vorderbeins ruffelte.
Der Wirbel trug den Geruch in die Runde – in das Flussbett hinab, um dann, von einem Punkt, der scheinbar in der Nähe ihres Tunnels lag, allmählich zur Maus zurückzutreiben.
Als der Katzengeruch das Nagetier erreichte, erstarrte es, und seine Nasenflügel zitterten. Traumjäger konnte der Maus die gebannte, zittrige Spannung ansehen, als sie einen tödlichen Feind witterte – offenbar zwischen ihr selbst und dem Fluchtweg.Mehrere Herzschläge lang verharrte der Quieker wie versteinert an seinem Platz, als der Wirbel Frittis Geruch an ihm vorbeitrieb. Dann machte er in qualvoller Verwirrung einen halbherzigen Sprung vom Höhleneingang fort. Auf Traumjäger zu.
Die ganze in der Katze eingepferchte Kraft wurde mit einem Schlage frei. Traumjägers straff gespannte Muskeln trugen ihn in einer einzigen Bewegung über den Rand des Flussbetts. Sobald seine Hinterpfoten den Boden berührten, schwang er sich abermals in die Luft. Der Maus blieb nicht einmal Zeit, einen Laut der Überraschung auszustoßen, bevor sie starb.
Seine linke Schulter der untergegangenen Sonne zugekehrt, wie Langstrecker ihm geraten hatte, dachte Fritti über seine merkwürdige Begegnung mit dem alten Jäger nach. Er hatte Langstrecker immer nur in dessen Mußestunden gesehen – eine ferne, unnahbare Gestalt –, aber heute hatte er sich Traumjäger gegenüber völlig anders verhalten. Und was noch merkwürdiger war, er hatte Traumjäger mit großer Freundlichkeit und Achtung behandelt. Obgleich Traumjäger es in der Vergangenheit sorgfältig vermieden hatte, Langstrecker zu kränken, hatte er doch mit Sicherheit nichts getan, um die Achtung des alten Jägers zu erwerben. Es gab da ein Rätsel, das nicht so leicht zu lösen war wie das des Nacht-Wirbels.
Welch ein Tag! Wie die anderen, die an der Mauer zurückgeblieben waren, wohl bei der Geschichte lachen würden, wie einer aus dem Volk im Baum des Eichhörnchen-Anführers die Sprache der
Rikschikschik
lernte.
Aber vielleicht kehrte er nie zum Mauertreff zurück, um sein Lied zu singen. Er war einer aus dem Volk, und sein Eid band ihn. Und nun war er ein Jäger – durch Lied und Blut geweiht. Trotzdem, der Jäger fühlte sich sehr elend und unbedeutend.
Nachdem die Nacht zur Hälfte vorüber war, begann er in seinen ermüdeten Muskeln eine stetige Schwäche zu spüren. Nachden Maßstäben des Volkes hatte er einen weiten Weg zurückgelegt. Für eine Katze seines Alters war es sogar ein sehr weiter Weg gewesen. Nun musste er schlafen.
Er schnüffelte nach einem Schlafplatz herum und wählte eine grasige Mulde am Fuß eines großen Baumes. Er prüfte sorgfältig die Brise und fand nichts, was ihn von der Nachtruhe hätte abhalten können.
In dem kleinen Hohlraum drehte er sich dreimal um sich selbst – zu Ehren von Urmutter, Goldauge und Himmeltanz, den Lebensspendern –, dann rollte er sich zusammen und bedeckte seine Nase mit der Schwanzspitze, um sie warm zu halten. Er war sehr rasch eingeschlafen.
Im Traum befand er sich unter der Erde, in der Dunkelheit. Fritti mühte sich ab, kämpfte gegen Erdreich an, das unter seinen Pfoten nachgab, sich aber immer wieder erneuerte. Er wusste, dass ihn etwas jagte, so wie er Quieker jagte, und sein Herz raste.
Schließlich drangen seine scharrenden Pfoten hindurch, und er fiel durch eine Erdmauer ins Freie. Dort, auf einer Waldlichtung, waren seine Mutter und seine Geschwister. Auch Goldpfote stand dort und Langstrecker und Spindelbein. Er versuchte, sie vor dem Wesen zu warnen, das ihn jagte, doch sein Maul war voller Schmutz. Wenn er zu sprechen versuchte, fiel Staub heraus und auf den Boden. Als sie Traumjäger erblickten, begannen seine Freunde und seine Familie zu lachen, und je mehr er versuchte, sie auf die Gefahr hinzuweisen, die ihnen von dem Verfolger drohte, der ihn jagte, desto mehr lachten sie – bis die schrillen, prustenden Laute in
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