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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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Hephäst schienen ihm alte Märchen, die er selbst gedichtet, und der Geisir und der Gletscher waren tote Trümmerhaufen, über die er beim Spazierengehen stolperte; denn die Erde war jetzt für ihn ein äußerer Gegenstand. Und zu seinem Schrecken sah er sich an die Sonne gefesselt, zu ihr gezogen, um sie geschwungen, und er begriff, daß es mit all der Pracht einmal ein Ende haben müsse.
    Da blickte er wieder auf das Nordlicht, das schwebte jetzt in all seinem Liebesreiz zu ihm herab und umschlang ihn mit seinen Strahlenarmen. Er fühlte, wie seine Elementargewalt ihm verloren ging, und wußte nicht, ob das am Selbstbewußtsein läge, oder vielleicht daran, daß er verheiratet war. Und er wollte noch klarer blicken, durch die leuchtenden Bande und Fesseln des Nordrots hindurch, bis ans Ende der Welt. Dort im Grunde der Dinge sah er ein Riesenweib sitzen, das fing Sonnen mit ihren Händen und warf sie in den Raum, daß sie sprühend verzischten.
    Das ist gewiß das Objekt, dachte er, ich will mich ihm gegenübersetzen.
    Da sprach das Weib: „Was willst du, Erdgeist? Ich bin die Endlichkeit; und wer mich schaut, dem springt das Weltleid aus dem Haupte. Hebe dich fort von mir!“
    Er aber warf sich ihr zu Füßen und rief: „Sei mein Objekt, laß mich dein Subjekt sein.“
    Da zuckte es gewaltig um ihn rechts und links, daß sein Kopf in loderndem Feuer stand; starke elektrische Schläge durchschüttelten ihn, und das Nordlicht rief:
    „Was fällt dir ein, vorwitziger Erdgeist? Mir hast du Liebe geschworen und willst dich hier zu diesem Objekt als Subjekt setzen? Ich bin dein Objekt, und du, armseliges Subjekt, gehörst zu mir. Jetzt hast du Selbstbewußtsein, bist verantwortlich für dein Ich und gebunden an dein Du! Je höher im Geisterreiche man steigt, um so enger sind die Fesseln, die uns halten; wer ein Objekt hat, dem ist die Freiheit des Subjekts verloren. Gleich mache dich an die Arbeit und grabe einen ordentlichen Kanal durch das Polareis, damit die Menschen ihre nächste Sommerfrische am Nordpol zubringen können.“
    Da empörte sich im Erdgeist das alte Titanenblut der Elemente. Wild donnerte er gegen den Nordpol, daß der gesamte Erdmagnetismus außer Rand und Band geriet und das Nordlicht furchtsam in den Weltraum floh, wo es schon längst mit einem Kometen kokettiert hatte. Lithosphäros aber verfluchte das Selbstbewußtsein und alle Objekte und erschien mit glühendem Haupte im Studierzimmer des Heino Mirax.
    „Unseliger“, donnerte er ihn an, „wie konntest du es wagen, die Kräfte der Natur mit deinem naseweisen Rate zu stören? Beleuchte mit dem Lämpchen deiner Vernunft die Irrwege deines Eintagsgeschlechtes; spiegle ihm vor, daß deine Phantasien reale Mächte seien, welche die Welt regieren, und dichte deine Puppenspiele für die großen Kinder, die daran glauben. Aber versuche nie wieder die Geister zu berufen, die nichts wissen wollen von eueren Sorgen und Mühen! Ich werde mich hüten, den Weltprozeß zu Ende zu denken; dafür magst du hübsch allein sorgen!“
    Wieder erschütterte ein Erdbeben das Haus, und der Erdgeist fuhr hinab ins Erdrindenkasino, wo er sich bald mit seinen Freunden zum gemütlichen Kegelspiel gesellte. Mirax aber fiel in eine Betäubung.
     
    Als Mirax aus seiner Ohnmacht erwachte, sah er zu seinem Vergnügen, daß das Erdbeben weiter keinen Schaden in seinem Zimmer angerichtet hatte. Nur die beiden Büsten Kants und Goethes waren von ihren Postamenten gestürzt, und auf seinem eigenen Haupte fand er die beiden Kränze vereint, die jene getragen hatten. Dies war ein schöner Beweis für die Existenz und Zurechnungsfähigkeit des Erdgeistes.
    Mirax beeilte sich, einen Artikel über sein psychisches Experiment mit dem Erdgeiste zu schreiben. Diese Abhandlung machte ungeheures Aufsehen und begründete den Miraxianismus felsenfest. Denn wenn man auch zugeben mußte, daß der Versuch, dem Erdgeiste das Selbstbewußtsein zu verschaffen und dadurch die Natur mit einem Schlage zu einer höheren Daseinsstufe zu führen, nur teilweise gelungen war, so konnte man doch von einem ersten Versuche nicht mehr erwarten. Nur Unverstand oder Mißgunst können glauben, daß die Elementargeister sofort den ganzen Wert der ihnen verliehenen Gabe begreifen würden; auch sie werden erst zum Selbstbewußtsein erzogen werden müssen, und man muß auf andere Wege denken, um ihnen das Selbstbewußtsein vorsichtiger beizubringen und die Weltseele nach und nach zu züchten. Die Möglichkeit

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