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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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dieser direkten Einwirkung auf die Natur durch die pädagogische Behandlung der Elementargeister aber ist durch Mirax und sein Experiment mit dem Erdgeist ein für allemal bewiesen. Künftighin wird man sich nicht auf den Verkehr mit den Geistern verstorbener Menschen beschränken, sondern man wird die Geister der Natur berufen und leiten. An Stelle endloser Experimente mit den toten Stoffen des Laboratoriums oder grausamer Vivisektionen wird die Interpellation der Weltseele und die Unterhaltung mit den Geistern der Erde, des Wassers und der Luft treten. Gegenüber dem Ausblicke in diese herrliche Errungenschaft des Miraxianismus kann es nur kleinlich und albern erscheinen, wenn boshafte Gegner das Erlebnis mit dem Erdgeiste für einen bloßen Traum erklären wollen, den Heino Mirax während eines nervösen Anfalls gehabt habe. Derartige Insinuationen richten sich selbst.
    Wenn nicht schon die innere Wahrscheinlichkeit der Lehre und die unzweifelhafte Ehrlichkeit eines Mirax Beweis genug wären, so fehlte es auch nicht an einem sinnlichen Zeichen für den Besuch des Erdgeistes. Mit den Büsten Kants und Goethes war zugleich ein Buch aus Mirax’ Bibliothek herabgestürzt, nämlich Kants „Träume eines Geistersehers, erläutert durch Träume der Metaphysik“, und es war folgender Satz dieses Buches vom Erdgeist stark und deutlich angestrichen:
    „Die anschauende Kenntnis der andern Welt kann allhier nur erlangt werden, indem man etwas von demjenigen Verstände einbüßt, welchen man für die gegenwärtige nötig hat.“
    Die Gegner des Miraxianismus, welche leugnen, daß es eine Geisterwelt hinter der Natur gebe und daß dem Menschen die Erkenntnis dieser Geisterwelt möglich sei, diese kurzsichtigen Anhänger eines blöden Sinnlichkeitsphantoms, sie mögen sich die Mahnung des Erdgeistes zu Herzen nehmen, die er ihnen durch den Mund des von ihnen so vergötterten Kant gab! Es ist wahrlich Zeit, daß sie etwas von demjenigen Verstände einbüßen, mit welchem sie sich brüsten, Wissenschaft von der Natur zu errichten; es ist Zeit, daß sie wieder in den Zustand kindlicher Ahnung einer Geisterwelt zurückkehren, in welchem sie mit uns rufen:
    „Es lebe Heino Mirax, der Umkehrer der Wissenschaft!“

 
Der Gehirnspiegel
     
    „Also doch noch!“ begrüßte mich mein Freund Arwed, als ich in das Wohnzimmer trat. „Glaubte schon, du kämst nicht. Hast also meine Karte gefunden?“
    „Soeben, als ich nach dem Theater heimkam. Es war spät zu Ende –“
    „Ja, entschuldige, daß ich dich noch herzitierte. Aber ich habe dir etwas Wichtiges, sehr Wichtiges mitzuteilen.“
    „Ich bitte dich, du weißt doch, wie gern ich mit dir und deiner Frau ein Plauderstündchen halte. Dazu hab1 ich immer Zeit! Ich hoffe, es ist etwas Angenehmes?“
    Arwed machte ein merkwürdiges Gesicht. Erst sah er mich starr an, als wolle er sich an meiner Spannung weiden, dann blickte er wie verlegen an mir vorüber, indem er sagte: „Mußte dich heute noch sprechen, das mußt du erfahren. Setz dich nur her. – Willst du noch etwas essen? Nein?“
    Ich fragte nach seiner Frau. Es kam mir vor, als überhöre er absichtlich meine Frage. Er starrte vor sich hin und rief: „Großartig! Einfach großartig!“
    Ich rückte mich in die gewohnte Sofaecke, während er, seinen Backenbart zerrend, in seiner nervösen Art auf und ab lief. Dabei funkelten seine Äuglein ganz aufgeregt. Dann stellte er sich vor mich hin, steckte die Hände in die Taschen und begann: „Was meinst du? Gehirnspiegel! Einfach großartig! Nicht?“
    „Gehirnspiegel?“ fragte ich. „Kenne ich nicht. Augenspiegel, ja, der machte Epoche, als ihn Helmholtz vor fünfzig Jahren erfand. Hast du etwa einen Gehirnspiegel erfunden?“
    „Ich natürlich nicht. Nur den Namen. Vielleicht ist auch der nicht einmal richtig gewählt – es ist eigentlich etwas ganz anderes. Ich sinne schon den ganzen Abend über dem Namen. Aber großartig ist es.“
    „Nun, was denn eigentlich?“
    „Eine Erfindung vom Onkel Pausius.“
    „Von Pausius?“ fuhr ich auf. „Das läßt sich hören. Das wird jedenfalls großartig sein. Nur wird es uns nichts nutzen. Er veröffentlicht leider seine Entdeckungen fast niemals.“
    „Aber diesmal hat er es mir bestimmt versprochen.“
    „Wahrhaftig?“ Nun sprang ich auch empor. Ich war aufs höchste gespannt. Pausius war ein Genie. Ich kannte den alten gelehrten Sonderling und sein Laboratorium und wußte einiges von seinen Studien. Er hatte

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