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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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eine seltsame Geschichte, die ich nicht glauben kann. Es war ein Mensch, wahrscheinlich ein Führer, der mehr wußte wie die andern und ihnen das alles sagte, weil er glaubte, daß es gut sein würde für den Stock; und das finde ich ganz selbstverständlich. Den andern Führern aber gefiel es nicht, weil er auch zu den Sklaven sprach, daß sie nicht geringer seien als die Führer. Da nahmen sie ihn und sagten, wenn er nicht seine Taster stille halte, so würden sie ihn totzwacken. Das ist ja auch ganz richtig, denn wer den Führern und damit dem Stock schadet, muß totgezwackt werden. Nun aber kommt das, was ich nicht verstehe. Der Mensch wurde nicht etwa still, sondern er fuhr fort: „Ihr könnt nicht richten über mein Gewissen, das mich heißt die Wahrheit zu künden. Höher als das Leben steht die Freiheit der Überzeugung. Totzwacken könnt Ihr mich wohl, aber meine Worte werden bleiben und ich sterbe gern für die Freiheit!“
    Was soll das alles heißen? Freiheit? Dummes Zeug! Ich krieche in meine Winterzelle.

 
Unverwüstlich
     
    Was marterst du das arme Hirn
    Mit Fragen und mit Schlüssen?
    Komm her und laß dir von der Stirn
    Die finstern Falten küssen!
    Mit Sorgen hast du nachgedacht
    Dem Laufe dieser Dinge
    Und zweifelst, ob der Liebe Macht
    Den Weltprozeß bezwinge?
     
    Wenn ich dir in die Augen schau’,
    Die lieben, klaren Augen,
    Dann wissen wir ja ganz genau,
    Warum wir für uns taugen.
    Wir waren stets uns zugesellt,
    Willst du dich recht entsinnen,
    Seitdem im Raum sich dehnt die Welt
    Und seit die Zeiten rinnen.
     
    Ich glaube, daß du neben mir
    Zum Zentrum dich gerichtet
    Zuerst, da als Atome wir
    Zur Sonne uns verdichtet.
    Wir flogen dort schon Arm in Arm
    Beim ersten Gravitieren,
    Und wurden so gemeinsam warm
    Und konnten oszillieren.
     
    Und als der Nebelring in Glut
    Geschleudert ward ins Weite,
    Nicht sank uns der Atomen-Mut,
    Du flogst mir zum Geleite.
     
    Und als die Erde sich geballt,
    Da hielt es uns nicht länger,
    Uns band der Liebe Vollgewalt
    Im Molekül noch enger.
     
    Doch ach, entsetzlich war die Zeit,
    Kaum mag ich mich erinnern;
    Wir wurden grausam bald entzweit,
    Mich trieb es nach dem Innern.
    Dann sucht’ ich, ach, von Ort zu Ort
    Umsonst, die ich erkoren, –
    Ich glaubte schon, es riß dich fort,
    Als wir den Mond verloren.
     
    So lebten fern wir und allein
    Millionen wohl von Jahren;
    Mein Herz, mein Herz war ewig dein –
    Erst spät hast du’s erfahren.
    Als das Geschick von dir und mir
    Sich endlich ließ erbitten:
    In der Grauwacke krebsten wir
    Als kleine Trilobiten.
     
    Als in der Kohlenformation
    Wir dann uns wiederfanden,
    Warst du ein Labyrinthodon,
    Ich lag in deinen Banden.
    Auf deinen holden Wickelzahn
    Sang ich ein Lied alsbalde,
    Sah ich dich mir von ferne nah’n
    Im Sigillarienwalde.
     
    Im Trias und im Jura auch
    Und im System der Kreide
    Warst du nach treuer Liebe Brauch
    Mir Trost und Augenweide.
    Wir wurden endlich miozän
    Und Säugetier-gestaltet;
    Und selber in der Eiszeit Weh’n
    Sind wir uns nicht erkaltet.
     
    Und immer klüger wurden wir,
    Als Jahr’ auf Jahre gingen;
    Ich bin gewiß, nur neben dir
    Zum Menschen könnt’ ich’s bringen.
    Denkst du daran, wie um und um
    Vor uns die Tiere zagten,
    Als wir noch im Diluvium
    Den Höhlenbären jagten?
     
    Mit meiner Axt von Feuerstein
    Hab’ ich in jenen Tagen
    Rhinozerosse kurz und klein
    Zur Freude dir geschlagen.
    In unsrer Höhle saßen wir
    Aus Knochen Mark zu saugen,
    Und schon wie heute sah ich dir
    In die geliebten Augen.
     
    Und wo wir auch im Lauf der Zeit
    Noch später uns getroffen,
    Du warst allein in Luft und Leid
    Mein Sehnen und mein Hoffen,
    Ob wir am heil’gen Nilusstrand
    Zum Isissterne blickten,
    Und ob wir im gelobten Land
     
    Vom Stock die Traube pflückten;
    In Aphroditens heil’gem Hain
    In stillen Mondesnächten,
    Wie in des Zirkus dichten Reih’n
    Beim grimmen Todesfechten;
    Nach blutiger Barbarenschlacht
    Im Flammenschein der Städte,
    in deutsche Kirchen düstrer Nacht
    Bei Weihrauch und Gebete.
     
    Und heute wieder ganz modern
    Lieb’ ich dich ohne Maßen.
    Ich grüße höflich dich von fern,
    Treff ich dich auf den Straßen.
    Dein Bild, gemalt vom Sonnenstrahl,
    In meiner Tasche trag’ ich,
    In Versen meine Liebesqual
    Dir durch die Reichspost sag’ ich.
     
    Es zischt der Dampf, es saust das Rad,
    Es regt sich ohne Endnis.
    Es ringt die Welt mit Wort und Tat
    Nach freier Selbsterkenntnis.
    Und wenn zu neuem Leben wir
    Hier wiederum

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