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Traumkristalle

Traumkristalle

Titel: Traumkristalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurd Laßwitz
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erwachen,
    Dann fahr’ ich durch die Luft mit dir,
    Sturmgleich, im Flügelnachen!

 
Prinzessin Jaja
     
    Es war einmal eine Prinzessin, die hieß Jaja; aber leider hatte es mit ihr einen Haken, und deshalb haben wir unsere Geschichte falsch angefangen. Eigentlich können wir gar nicht beginnen, denn der Haken war eben, daß die Prinzessin nicht wußte, ob sie war. Also fangen wir noch einmal von vorn an.
    Es war also einmal eine Prinzessin, und die war nicht. Das ist aber auch noch nicht der richtige Anfang. Denn solange die Philosophen noch nicht klar darüber sind, was das wirkliche Sein wirklich sei und wie es mit dem Erkennen zusammenhänge, fragt es sich doch, ob die Prinzessin wirklich nicht war, oder ob sie bloß nicht wirklich war. Und da in den Märchen immer alle Dinge dreimal vorkommen und erst das dritte Mal die Sache gelingt, so sehen wir nicht ein, warum es nicht gleich mit dem Anfange auch so sein solle und erst der dritte Anfang der richtige werde. Und nun kommt er. –
    Es war einmal ein Königreich, das hieß Drüberunddrunter, und dazu gehörte auch ein König, Namens Hähäh. Dieser König besaß eine einzige Tochter, die reizende Prinzessin Jaja, mit der es leider den Haken hatte. Und das war so gekommen.
    Die Prinzessin hatte eine Patin, natürlich eine Fee, und zwar eine echte, die noch von den alten heidnischen Göttern stammte. Das sind nämlich die vornehmsten, und von diesen sind wieder diejenigen die gebildetsten, die ihren Stammbaum auf den Olymp zurückführen können. Mit der Mythologie aber stand die Prinzessin wie die meisten jungen Damen von siebzehn Jahren auf schlechtem Fuße wegen der vielen schwierigen Namen, und darum konnte auch Jaja die Fee Dysthymos Kräkeleia – so hieß die Patin – nicht gut leiden.
    Als die Prinzessin nun ihren achtzehnten Geburtstag feierte, kam auch Dysthymos Kräkeleia als Gratulantin und brachte ihr zum Geschenk einen Abreißkalender vom vergangenen Jahre, den sie in einem Schnittwarengeschäft zubekommen hatte. Denn die Fee hielt viel auf Geschenke, die nichts kosteten, außer wenn sie für sie selbst bestimmt waren. Das ärgerte nun wieder die Prinzessin, und als sie mit Kräkeleia bei der Schokolade saß, sagte sie ganz trübselig:
    „Ach, liebe Patin, mein Mythologielehrer versteht doch gar nichts. Neulich wußte er nicht einmal, wie Ihre werte Frau Mama hieß.“
    Das war aber ein Stich, denn die Fee hatte keine Mama, sondern bloß einen Papa, und das war eben das Feine an ihr. Die Fee sagte also etwas gereizt:
    „Nun, du solltest doch wissen, liebe Jaja, daß ich wie meine Schwester Pallas Athene keine Mutter habe. Wir beide rühmen uns, unmittelbar aus dem Götterkönig Zeus entsprungen zu sein.“
    „So, so“, sagte Jaja, „Sie sind auch aus dem Haupte des Zeus entsprungen?“
    „Das gerade nicht, aber aus einem Auge des Zeus.“
    „Und wo befand sich denn dieses Auge?“
    „Naseweises Ding!“ rief die Fee aufgebracht. „Ein Hühnerauge war’s, aus dem ich entsprungen bin, unter der kleinen Zehe saß es. Sehr übler Laune war der Götterfürst, denn er hatte damals gerade vergeblich der schönen Freya nachgestellt, die droben hinter Grönland im eisigen Norden haust. Da hatte er sich Schneeschuhe untergebunden, und davon war das Hühnerauge gekommen. Als nun Pallas Athene aus seinem Haupte sprang, da ernannte er sie zur Göttin des Wissens und Forschens, zur Herrin aller berechtigten Fragen, welche die Menschen stellen dürfen. Mich aber, als ich aus dem Hühnerauge sprang, ernannte er zur Göttin aller überflüssigen Fragen, zur Herrin der Rätselmacher, Steuerabschätzer, Polizisten und Metaphysiker. Und weil du so überflüssige Fragen gestellt hast, so verwünsche ich dich hiermit zur Strafe für deine Neugier. Und du sollst nicht eher einen Mann bekommen, bis du die unnützeste Frage der Welt gefunden und gelöst hast.“
    Und damit verschwand Dysthymos Kräkeleia in Gestalt eines langen Fragezeichens.
    Mit diesem Augenblicke kam ein großes Unglück über das Königreich Drüberunddrunter, es brach nämlich die Fragepest aus und gleich hinterdrein die Rätselseuche.
    Daran war freilich Seine Majestät der König Hähäh selber schuld. Denn als er von der Verwünschung der Prinzessin hörte, war er gar nicht empört, sondern lächelte so allerhuldvollst, daß dem Großvezier zwei Westenknöpfe vor Wonne absprangen, und sagte:
    „Wozu habe ich denn meine Professoren, meine Oberbrahminen, meine Veziere und Oberhofchargen,

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