Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
ihres Körpers vibrieren lässt.
»Du bist in der Klinik.«
Bedeutungsvoll hält er inne als erwarte er eine Antwort von ihr. Tatsächlich wühlt das Wort Klinik etwas in ihr hervor. Ihre Erinnerung wirkt wie ein schimmernder Gegenstand auf dem Grund eines tiefblauen Sees. Sie weiß, dass da etwas ist, aber sie kann es weder genau erkennen noch erreichen. Verständnislos runzelt sie die Stirn, was dem Fremden erneut ein Lachen entlockt.
»Wirklich gute Arbeit. Ich bin beeindruckt. Du bist wahrlich ein Meisterstück.«
Obwohl seine Worte von Lob und Liebe strotzen, bereiten sie ihr Unbehagen.
»Und für wen arbeite ich?«, erinnert sie ihn an seine zweite Frage, obwohl sie die Antwort nicht hören möchte.
»Na, für mich.« Unbeeindruckt hält sie seinem forschenden Blick stand. »Wenn du willst.«
»Ich habe sowieso keine Wahl, nicht wahr?«
Dieses Mal ist sein Lachen kalt und zynisch.
»Nein, die hast du nicht. Erst, wenn du deinen Auftrag erfüllt hast, werde ich dir sagen, wer du wirklich bist und dir deine Erinnerungen zurückgeben.«
»Meine Erinnerungen?«
Ihr Herzschlag beschleunigt sich. Etwas in ihr schreit nach diesen Erinnerungen, als wüsste es, welche Bedeutung sie haben.
»Wenn du deine Erinnerungen wiedererlangst, weißt du, wer du bist.«
»Und Sie können mir diese Erinnerungen wiedergeben?«
Skeptisch kneift sie die Augen zusammen.
»Ich kann dafür sorgen, dass man sie dir wiedergibt. Aber dafür musst du mir einen Gefallen tun.«
»Alles«, erwidert sie. »Ich werde alles tun.«
Und das ist die Wahrheit. Sie würde wirklich jeden Befehl ausführen, um nur endlich die Leere in ihrem Herzen und ihrem Kopf zu füllen.
»Sehr schön. Dann komm mit mir.«
»Sehr witzig, ich bin...«, fängt sie an und schreit panisch auf, als sich die Fesseln plötzlich lösen. Unsicher kippt sie nach vorne und schlägt auf dem harten Boden auf. Ein metallischer Geschmack breitet sich in ihrem Mund aus.
»Oh, die motorischen Fähigkeiten sind noch nicht ganz wieder ausgebildet ... Aber das wird schon«, kommentiert der Mann ihren Unfall und dreht sich um. »Komm schon, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«
Gehorsam folgt Kira ihm durch leere Gänge. Die Wände sind ungeschmückt und wirken trostlos. Kein Mensch begegnet ihnen, kein Laut außer ihren eigenen Schritten dringt an ihre Ohren. Merkwürdigerweise erinnert dieser Gang sie ebenfalls an etwas. Wenn sie nur wüsste, an was ...
Völlig durcheinander schüttelt sie den Kopf und fixiert wieder ihren Begleiter. Er scheint sich hier genau auszukennen, denn trotz der vielen Abzweigungen verlaufen sie sich nicht. Abrupt bleibt er vor einer Metalltür stehen, die mit einem Zahlenschloss gesichert ist.
Seine Finger fliegen routiniert über das Tastenfeld und die Tür öffnet sich mit einem leisen Zischen.
»Komm nur herein. Keine Sorge: Von mir hast du momentan noch nichts zu befürchten.«
Sie tritt näher und seine Hand legt sich zwischen ihre Schulterblätter. Sofort stellen sich ihre Nackenhaare auf und sie reibt sich unbehaglich über die Arme. Seine Berührung löst ein unangenehmes Prickeln in ihr aus. Ihr ganzer Körper schreit, möchte sich von ihm lösen und seiner kalten Haut entgehen. Aber sie besinnt sich eines Besseren und bleibt ganz still.
Das Zimmer ist überraschenderweise sehr wohnlich eingerichtet. In einer Ecke steht ein niedriger Holztisch und wird von mehreren schwarzen Ledersesseln umringt. Auf dem Tisch selbst steht eine Obstschüssel. Die Wandregale sind mit alten Büchern vollgestopft. Viele von ihnen sind abgegriffen und die Aufschrift auf ihren Buchrücken verblichen.
»Ich bin kein Freund des modernen Stils«, kichert der Mann und zupft einen Fussel von seinem gebügelten Anzug.
Achtlos schnippst er ihn auf den dunkelroten Teppichboden.
»Nichts geht über schweres, altes Holz. Bäume, die ihr Leben gaben, damit wir unsere Zimmer mit ihnen schmücken können. Ist es nicht erstaunlich, welche Macht die Menschen über diesen Planeten besitzen? Setz dich doch.«
Gehorsam geht sie auf einen der Sessel zu und lässt sich nieder.
»Also, was soll ich tun?«
»Langsam. Hast du nicht Hunger? Greif zu!«
Er lächelt und zeigt dabei seine perfekten Zähne. Unsicher beäugt Kira die Obstschale und schnappt sich schließlich einen Apfel. Gierig beißt sie in die Frucht und stöhnt überrascht auf, als der süße Saft ihren Mund füllt.
»Schmeckt, nicht wahr? Auch diese Frucht wurde von Menschen entwickelt. Natürlich
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