Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
will, hat sie nicht erwartet. Innerlich hatte sie sich schon auf eine lange und komplizierte Diskussion eingestellt.
»Wir wollen die Menschen darauf aufmerksam machen.«
Eleonore nickt.
»Dafür brauchen wir deine Hilfe«, fügt Hailey hinzu und beobachtet besorgt die Reaktion ihrer Mutter. Zunächst runzelt sie fragend die Stirn, dann weiten sich ihre Augen ängstlich und schließlich hat sie ihr Gesicht wieder unter Kontrolle.
»Wie genau sollte ich euch helfen können?«
Hailey wählt ihre nächsten Worte mit Bedacht.
»Wir brauchen Ärzte, die in der Rangordnung höher stehen als Jules. Uns wird man nicht glauben, hochrangigen Ärzten hingegen schon. Jules Vorgesetzter scheidet aus. Wir wollen ihn nicht unnötig in Gefahr bringen. Deshalb dachten wir, dass du vielleicht einige Leute kennst, die uns helfen würden?«
Die Zeit scheint still zu stehen. Eleonore legt nachdenklich den Kopf in den Nacken und massiert sich die Schläfen.
»Hailey ich ...«, beginnt sie, bricht dann aber ab. Nervös kaut Hailey auf ihrer Unterlippe.
»Du musst dich nicht sofort entscheiden«, lenkt sie ein. Sie hat Angst, dass ihre Mutter sich überrumpelt fühlt und deshalb ihre Hilfe verwehrt. »Schlaf eine Nacht darüber.«
Am liebsten würde sie gleich ihre Rückfahrt ansprechen, aber angesichts Eleonores Zustand, unterlässt Hailey es. Sie möchte ihr erst Zeit geben, über ein Problem nachzudenken, bevor sie das nächste angehen. Zu ihrer Überraschung schüttelt Eleonore den Kopf und steht auf.
»Ich fahre jetzt zurück. Man sollte mich besser nicht in einem Randbezirk entdecken. Mats Nummer verhindert zwar, dass sie den Besuch mit uns in Verbindung bringen, aber wenn mich jemand hier sieht, hilft uns das auch nicht mehr. Zudem benötige ich mein Traumkontrollmittel.«
Sofort ist Hailey auf den Beinen.
»Und was ist mit mir?«
»Du bist hier fürs Erste sicher.«
»Ich soll alleine hier bleiben?!« Unruhe breitet sich in Hailey aus. »In einem Randbezirk? Ganz allein?«
»Wenigstens bist du hier sicher«, versucht Eleonore sich zu rechtfertigen, aber Hailey hört ihr nicht zu. Panik nimmt ihr die Luft zum Atmen.
»Ich bleibe nicht alleine hier!« Sie hat Angst, dass Eleonore nicht wiederkommen wird oder dass die Wächter sie finden und mitnehmen. »Niemals!«
»Ich werde jetzt etwas Essen aus dem Auto holen.«
»Du hast Essen im Auto?«
Für einen Augenblick vergisst Hailey ihre Wut.
»Hailey, ich habe den Wagen für eine mögliche Flucht gemietet natürlich habe ich dort Konserven aufbewahrt.«
»Konserven?«
»Sie halten lange und sind essbar. Was spricht dagegen?«
»Du hast also von Anfang an geplant, mich hier zurückzulassen?«
Ohne ein weiteres Wort verlässt Eleonore das Haus. Hailey bleibt alleine im dunkler werdenden Raum zurück. Erschöpft lässt sie sich wieder in den Sessel sinken und denkt nach. Sie weiß nicht, wie sie ihre Mutter davon überzeugen kann, sie nicht hierzulassen. Vor allem, da sie ihr insgeheim zustimmen muss. Hier ist sie in Sicherheit.
Und von Caleb getrennt.
Ich glaube, ich liebe dich.
Mit Gewalt kämpft sie die Tränen nieder.
»Nicht jetzt«, ermahnt sie sich leise. »Nicht jetzt.«
Eleonore wird gleich zurückkommen. Hailey möchte nicht, dass ihre Mutter sie in diesem Zustand sieht, denn dann würde sie in Erklärungsnot geraten. Auf keinen Fall wird sie ihr erzählen, dass sie verliebt ist.
Dass sie jeden wachen Augenblick an einen Jungen denkt, den sie in der Klinik kennengelernt hat. Dass dieser Junge ihre Gedanken vernebelt und sie die Welt strahlender sehen lässt als jemals zuvor. Die Wahrheit über ihre Gefühle zu Caleb ist nicht für ihre Mutter bestimmt.
Zuerst möchte sie es ihm sagen. Sie will ihm in seine merkwürdigen und doch wunderschönen Augen schauen und ihm sagen, dass sie ihn ebenfalls liebt. Dass sie sich nichts Schöneres vorstellen kann, als ihr restliches Leben mit ihm zu verbringen. Sie sieht ihn in dem Schaukelstuhl auf der Veranda, sich selbst hinter ihm und auf seinem Schoß ein glückliches Kind.
»Hailey?« Eleonore steht direkt vor ihr. Sie hält eine grüne Stofftasche vor das Gesicht ihrer Tochter.
»Essen und Trinken für mindestens drei Tage.«
»Drei Tage?«, wiederholt Hailey. »Wie lange willst du mich hier alleine lassen?«
»Bis ich weiß, was wir tun sollen.«
»Und bis dahin willst du mich hier wirklich alleine lassen? Mama, das mache ich nicht mit! Bring mich in die Stadt.«
Mit einem dumpfen Knall stellt
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