Traumlos, Band 1: Im Land der verlorenen Seelen (German Edition)
befinden, daneben die Herdplatte. Unter einem der Fenster steht ein länglicher Holztisch mit vier passenden Stühlen. Über den Arbeitsflächen sind Schränke an die Wand geschraubt. Die komplette Einrichtung besteht aus dunklem, massivem Holz. Selbst die Kühlschranktür ist damit verkleidet.
Probeweise betätigt Hailey den Lichtschalter und verzieht enttäuscht den Mund, als alles dunkel bleibt. Sie wird die gefüllten Teigwaren wohl kalt essen müssen. Bei dem Gedanken brummt ihr Magen laut auf.
»Besser als nichts«, schimpft sie. »Jetzt brauche ich nur noch einen Dosenöffner.«
Intuitiv öffnet Hailey die oberste Schublade. Mattes Besteck glänzt ihr entgegen. Gabel, Löffel, Messer. Feinsäuberlich sortiert. Frustriert setzt sie ihre Suche in der zweiten Schublade fort und wird fündig: Zwischen Zangen, Rührbesen und Schöpflöffeln versteckt sich ein Dosenöffner. Triumphierend hält Hailey ihn in die Luft.
»Jetzt bist du dran«, teilt sie der Dose fröhlich mit. Das Metallmesser des Dosenöffners schneidet sich problemlos durch den Deckel. Rote Soße spritzt Hailey entgegen und sie weicht mit einem geschickten Sprung nach hinten aus.
Hailey beschließt direkt aus der Dose zu essen. Sie schnappt sich eine Gabel aus dem obersten Schubfach und macht es sich gemeinsam mit der Dose wieder auf dem Sessel bequem. Während sie sich die gefüllten Teigwaren in den Mund schiebt, betrachtet sie missmutig die silberne Schatulle, als könnte sie diese mit bloßer Willenskraft öffnen.
Aber egal wie lange sie das Kästchen anstarrt, nichts rührt sich, das silberne Blumenmuster bleibt unnachgiebig.
Fieberhaft denkt Hailey nach. Dem Schloss nach muss der Schlüssel sehr klein sein, doch das Haus ist riesig. Hailey weiß nicht, wo sie mit dem Suchen weitermachen soll. Das offensichtlichste Versteck, die Kommode, hat sie schon untersucht. Der Schlüssel kann überall sein. In einem der Zimmer im oberen Stock, im Wohnzimmer, im Flur, in der Küche, im Keller. Er kann sich in einem Geheimversteck befinden oder gar nicht mehr im Haus sein. Vielleicht hat der Besitzer der Schatulle den Schlüssel selbst schon lange verloren. Allerdings hätte er dann das Kästchen nicht unter der Kommode verstecken brauchen.
Frustriert spießt Hailey die letzte Ravioli auf die Gabel. Etwas rote Soße tropft wieder in die Dose, dann ist das Essen in Haileys Mund verschwunden. Die junge Frau legt das Besteck zur Seite und nimmt dafür die Schatulle in die Hand. Ratlos hält sie diese an ihr Ohr und schüttelt. Etwas klimpert leise, Metall auf Metall. Dieses zarte Geräusch entfacht Haileys Neugier erneut. Immerhin ist sie sich jetzt sicher, dass sich tatsächlich etwas in dem Kästchen verbirgt. Sofort fängt ihr Verstand an, sich skurrile Dinge auszumalen:
Ein wunderschön gearbeiteter Dolch mit Rubinen, ein Schlüssel zu einem geheimen Tresor in dem sich so viel Geld befindet, dass sie einfach auf eine einsame Insel fliehen kann, ein Hinweis mit dem sie die Regierung zu stürzen vermag.
Bevor neue Ideen in ihrem Kopf erblühen, konzentriert sie sich auf etwas anderes. Tief in ihrem Inneren weiß sie genau, dass dieser Kasten genauso gut irgendwelchen alten Plunder enthalten kann, der die Mühe nicht wert ist. Es besteht immerhin die Möglichkeit, dass die Schatulle zufällig unter die Kommode gelangt ist. Ein blöder Zufall, unachtsame Augen und schon war sie in Staub und Spinnweben gefangen.
Zudem muss sie langsam über einen Fluchtplan nachdenken, wenn sie wirklich schon morgen zu Caleb zurück möchte. Unschlüssig starrt sie das Kästchen an. Das Schloss ist sehr altmodisch; Ein großes Loch, umrahmt mit silbernen Ornamenten.
Haileys Herz macht einen Freudensprung.
»Aber natürlich!«
So schnell ihre Beine sie tragen, stürmt sie die Treppe hinauf. Das Holz knarzt unter ihren hektischen Schritten als würde es gleich auseinanderfallen. Davon unbeeindruckt nimmt Hailey immer zwei Stufen auf einmal, bis sie vor der Badezimmertür steht. Neben der Tür liegt ein Haufen schmutziger Wäsche. Hose und Oberteil, verschmutzt und achtlos hingeworfen. Aber Hailey erinnert sich an etwas Kleines. An einen Gegenstand, mit dem sie die Schatulle hoffentlich öffnen kann.
Mit klopfendem Herzen greift sie in die Hosentasche. Ihre Finger schließen sich um das kühle Metall. Die Schraube ist noch da. Die Schraube, welche ihr in der Klinik so große Hoffnung gegeben hat und doch niemals zum Einsatz kam. Die Aussicht darauf, das Kästchen
Weitere Kostenlose Bücher