Traummann mit Zuckerkuss
Dutzend. Außerdem kauften die Leute jetzt auch mehr kalte Getränke, weshalb sie etwas mehr Ruhe beim Kaffeekochen hatten. Selbst wenn Issy inzwischen mit raschen und eleganten Handgriffen einen Espresso oder einen großen Magermilch-Latte hinbekam (die ersten neunzehn Mal hatte sie eigentlich immer etwas verschüttet), dauerte es trotzdem länger, als einfach einen Holundersaft aus dem Kühlschrank zu nehmen. (Issy hatte sich gegen das Zeug mit Kohlensäure und für feinere Getränke entschieden. Die passten besser zum Ethos des Ladens, und bei denen war, wie Austin bemerkt hatte, auch die Gewinnspanne größer.)
Als es um vier Uhr etwas ruhiger wurde, kam das Beste von allem– die Türklingel kündigte Keavie an, die Issys Großvater im Rollstuhl hereinschob. Issy sprang auf und schlang ihm die Arme um den Hals.
» Gramps!«
» Ich denke nicht«, bemerkte der alte Mann schwerfällig, » dass du weißt, was du da mit dem Eischnee anstellst.«
» Und ob!«, rief Issy pikiert aus. » Hier, probier mal.«
Sie setzte ihm eines ihrer neuen Baiser-Törtchen vor, dessen Zitronencreme so dick und zartschmelzend war, dass die dünne Teigschicht sie aufsaugte. So ein Gebäckstück konnte man in zwei Sekunden verputzen, die Erinnerung daran würde einen aber den ganzen Tag nicht mehr loslassen.
» Das Baiser ist zu hart«, verkündete Grampa Joe.
» Das sagst du nur, weil du keine Zähne mehr hast«, entgegnete Issy gekränkt.
» Bring mir eine Schüssel. Und einen Schneebesen. Und Eier.«
Pearl machte Keavie eine heiße Schokolade, und dann sahen sie dabei zu, wie Joe und Issy alle Zutaten zusammentrugen und sich seine Enkelin dann auf einem Stuhl neben ihm niederließ. Pearl betrachtete den dunklen Lockenkopf neben dem gebrechlichen Schädel und konnte sich genau vorstellen, wie die beiden wohl in Issys Kindheit zusammen ausgesehen hatten.
» Deine Handbewegung ist ja ganz falsch«, knurrte Gramps. Selbst in seinem Alter zerschlug er die Eier noch mit einer Hand, ohne auch nur hinzusehen, und trennte sie blitzschnell.
» Das ist, weil…« Issy verstummte.
» Was denn?«, fragte Gramps.
» Nichts.«
» Was?«
» Das ist, weil ich ein elektrisches Rührgerät benutze«, gab Issy zu und lief rot an, was Pearl laut auflachen ließ.
» Na, da haben wir es ja auch schon«, nickte Gramps. » Kein Wunder.«
» Aber ich muss schließlich eine Rührmaschine benutzen, davon mache ich doch jeden Tag Dutzende. Wie soll ich denn das sonst schaffen?«
Gramps schüttelte nur den Kopf und schlug den Eischnee weiter. In diesem Moment kam draußen der Eisenwarenhändler vorbei, und Joe bedeutete ihm mit einer Geste hereinzukommen.
» Wussten Sie, dass meine Enkelin für ihren Eischnee ein elektrisches Rührgerät benutzt? Nach allem, was ich ihr beigebracht habe!«
» Und deshalb esse ich hier auch nie etwas«, erwiderte der Eisenwarenhändler. Als er Issys schockiertes Gesicht sah, fügte er hinzu: » Entschuldigen Sie, Madame. Ihr Laden ist zwar ganz zauberhaft, Ihre Preise liegen aber auch ein wenig außerhalb meiner Möglichkeiten.«
» Na, dann lade ich Sie gerne auf ein Törtchen ein«, sagte Issy. » Eins ohne Baiser.«
Pearl bot ihm ergeben ein Küchlein an, er aber winkte ab. » Wie Sie möchten«, seufzte Pearl, Issy drängte es ihm jedoch auf, bis er endlich einlenkte.
» Wirklich lecker«, urteilte er schließlich, den Mund voller Brownie-Cupcake.
» Und jetzt stellen Sie sich doch einmal vor, wie lecker der erst wäre, wenn sie die Zutaten von Hand rühren würde«, sagte Gramps. Issy versetzte ihm einen spielerischen Klaps auf den Kopf.
» Wir reden hier von Großküchenmengen, Gramps.«
Grampa Joe lächelte.
» Ich meine ja nur.«
» Dann hör eben auf zu meinen.«
Grampa Joe reichte ihr die Schüssel mit dem perfekten gezuckerten Eischnee, der steif war, Spitzen zog und glänzte.
» Den streichst du jetzt auf Backpapier und wartest fünfundvierzig Minuten…«
» Ja, ich weiß, Gramps.«
» Okay, ich dachte nur, du schiebst ihn jetzt vielleicht in die Mikrowelle oder so.«
Pearl grinste.
» Sie sind ein gestrenger Lehrmeister, Mr Randall«, bemerkte sie und beugte sich zum Rollstuhl hinunter.
» Ich weiß«, flüsterte Grampa Joe laut vernehmlich. » Was denken Sie denn, warum sie so gut ist?«
Später verspeisten sie Gramps’ fantastisches Baiser mit frisch geschlagener Sahne und einem Löffel Himbeercoulis, dann brachte Keavie ihn– mit einer riesigen Schachtel Kuchen für die
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