Traummann mit Zuckerkuss
Schenkel, die zum Küssen einluden, und runde Moppelfinger. Wie konnten sie ihn bloß als fett bezeichnen? Er war doch einfach perfekt!
» Du bist wunderschön«, sagte sie und sah ihn an. Louis nickte. Das bekam er von seiner Mutter oft zu hören, und er wusste, wie er reagieren musste, um etwas Süßes zu bekommen.
» Louis wunnerschön!«, plapperte er, grinste fröhlich und zeigte alle Zähne. » Ja! Louis wunnerschön! Jetzt Süßes!«
Er streckte die pummelige Hand aus und machte eine fordernde Geste.
» Hm«, fügte er zur Verstärkung noch hinzu, falls das jemand missverstanden haben sollte, leckte sich die Lippen und rieb sich den Bauch. » Louis mag sooo gern Süßes!«
Selbst ihren eigenen Kindern gegenüber zeigte Caroline ihre Zuneigung selten– sie musste sich sogar eingestehen, dass sie bei ihnen eigentlich meistens gereizt war–, jetzt aber ging sie auf Louis zu, der sie misstrauisch beäugte. Er mochte alle Menschen, aber von dieser Frau bekam er nie etwas Süßes, das wusste er ganz genau.
Caroline zwickte ihn in sein fettes Bäuchlein, und er kicherte und zappelte eifrig.
» Du bist wunderschön, Louis«, bestätigte sie. » Aber das hier solltest du eigentlich gar nicht haben.«
» Das ist doch nur ein Babybäuchlein«, protestierte Pearl lautstark.
» Nein, das sind Speckröllchen«, sagte Caroline, die sich mit menschlichen Körperfetten in jeglicher Form nur allzu gut auskannte. » Das ist nicht in Ordnung. Und ich habe ihn auch noch nie ohne einen Cupcake in der Hand gesehen.«
» Na, er ist ja schließlich im Wachstum«, verteidigte sich Pearl. » Da muss er viel essen.«
» Stimmt«, murmelte Caroline nachdenklich. » Aber es kommt immer darauf an, was.«
Die ersten Kunden kündigten sich mit einem Klopfen an der Tür an– es waren die Handwerker, die Kates Haus in der Albion Road renovierten. Inzwischen gab Kate ganz offen Caroline die Schuld dafür, dass es damit so langsam voranging und das Ende der Bauarbeiten immer noch in weiter Ferne lag. Sie verkaufte ihnen nämlich zu jeder Tageszeit Kaffee und Kuchen und ließ sich auch gerne auf ein Schwätzchen mit ihnen ein, statt sie anzutreiben, damit sie mit der Arbeit vorankamen und fünf Minuten ihrer Freizeit dazu nutzten, auf dem Dach unter den Balken schnell ein mitgebrachtes Käsebrot zu verschlingen. Seit Kate so verstimmt war, machte Caroline die Nähgruppe nicht mehr besonders viel Spaß.
Die beiden Frauen kümmerten sich um den morgendlichen Andrang, während Louis fröhlich die Stammkunden begrüßte, die es kaum fertigbrachten, an ihm vorbeizugehen, ohne ihn in die klebrigen Bäckchen zu kneifen oder ihm über den weichen, kurzgeschorenen Schopf zu streichen. Immer wieder beobachtete Pearl ihn durch den verblichenen, antiken Spiegel an der Wand. Die alte Mrs Hanwotz, die bei ihrer riesigen Tasse heiße Schokolade gerne einen ausführlichen Plausch hielt, kraulte ihm den runden Bauch, als wäre er ein Hündchen– bevor sie ihm das Marshmallow in den Mund schob, das ihr Getränk krönte. Und Fingus, der Klempner, der eine riesige Wampe hatte und dessen Hintern an den Seiten seiner weißen Latzhose hervorquoll, klatschte mit seinem kleinen Freund ab und fragte ihn wie jeden Morgen, ob er auch seinen Schraubenschlüssel dabeihatte, er würde doch bald als Azubi bei ihm einsteigen. Selbst Issy schlug in die gleiche Kerbe– als sie von ihrem frühen Termin zurückkehrte und sich endlich ans Backen machen wollte, ging sie zuerst zu Louis hinüber, nahm ihn in den Arm und verkündete lautstark: » Guten Morgen, mein kleines Pummelchen.« Pearl runzelte die Stirn. War er das wirklich? Jedermanns dickes kleines Maskottchen? Er war doch kein Haustier. Er war ein Mensch, mit den gleichen Rechten wie jeder andere auch.
Ihr Blick traf Carolines, und die blonde Kollegin biss sich auf die Lippe. Pearl wollte also nicht, dass ihr Kind einmal so endete wie sie, das war doch schon ein Anfang. Pearls Kummer hatte sie auf eine Idee gebracht…
» Na ja, womöglich hat sie recht«, überlegte Ben und lehnte sich in der Küche an die Arbeitsplatte. » Also, ich weiß nicht. Ich finde, er sieht okay aus.«
» Ich auch«, sagte Pearl. Ben hatte auf dem Weg nach Hause » zufällig vorbeigeschaut«, obwohl er in Stratford, am anderen Ende der Stadt, arbeitete. Pearl tat so, als hätte er nur mal eben reingeschaut, und Ben tat so, als wollte er hier eigentlich gar nicht die Nacht verbringen, obwohl er schon allein wegen des Essens gern
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