Traummann mit Zuckerkuss
der Laden lief und je härter sie arbeiten musste, desto glücklicher wirkte sie. Und dabei war der Gewinn immer noch völlig lächerlich. Aber sie würde doch sicher zur Vernunft kommen, wenn er ihr die ganze Sache erklärte…
Graeme knurrte und drehte sich noch einmal vor dem Spiegel, um zu überprüfen, ob seine glatten Gesichtszüge auch perfekt rasiert waren. Zufrieden betrachtete er sich von allen Seiten. Aber er war nicht mehr hundertprozentig sicher, ob sich die Issy-Situation wirklich so leicht lösen ließ wie erwartet.
In den Sommermonaten nahm der Betrieb im Café nicht etwa ab, ganz im Gegenteil. Issy überlegte sich, im nächsten Jahr vielleicht auch ein paar Sorten vernünftiges, hausgemachtes Bio-Eis anzubieten, das wäre jetzt weggegangen wie warme Semmeln. Vielleicht gab es sogar die Möglichkeit, für die Laufkundschaft draußen einen Wagen hinzustellen. Den könnte Felipe übernehmen und auf seiner Geige spielen, wenn nicht viel los war. Dafür eine Erlaubnis zu beantragen bedeutete natürlich noch mehr Bürokratie, aber sie würde sich trotzdem darum kümmern. Wirklich erstaunlich, dachte sie, wie leicht ihr jetzt der ganze Papierkram, den sie doch am Anfang so gehasst hatte, von der Hand ging. Und plötzlich fiel ihr auf, dass sie– mal abgesehen von dem Moment, an dem Graeme sie beinahe mit Austin überrascht hatte– jetzt viel seltener rot wurde. Was für ein seltsamer Nebeneffekt der Arbeit als professionelle Bäckerin. Und sie weigerte sich strikt, je wieder an diesen Vorfall mit Austin zu denken oder auch nur zur Bank zu gehen– na ja, irgendwann würde sie zwar wieder dort vorbeischauen müssen, schließlich zahlte sie ja ihr Darlehen zurück, aber solange es nicht unumgänglich war, übernahm Pearl das fürs Erste.
Als sie von einer kurzen Pause im Park (natürlich mit Eis und allem Drum und Dran) zurückkehrte, lagen sich Pearl und Caroline gerade in den Haaren. Oh-oh. In letzter Zeit schienen die beiden sich doch ganz gut zu verstehen. Pearl war meistens gut gelaunt, und Caroline hatte angefangen, winzige Trägershirts zu tragen, die bei einer zwanzig Jahre jüngeren Frau gut ausgesehen hätten, bei ihr jedoch nur das vorstehende Schlüsselbein und den Madonna-Bizeps unterstrichen. Issy bekam mit, dass die Handwerker Sprüche über ihre Angestellten klopften, ignorierte das jedoch einfach. Pearl war mittlerweise regelrecht aufgeblüht. Schon allein durch die Tatsache, dass sie jeden Tag zur Arbeit kam, statt zu Hause rumzusitzen, hatte sie zwei Kleidergrößen abgenommen und sah in Issys Augen jetzt so aus, wie ihr Körper das eigentlich vorgesehen hatte, nämlich perfekt proportioniert.
» Seine Tanten kommen vorbei, und jeder bringt was zu trinken mit, und das reicht völlig«, erklärte Pearl dickköpfig.
» Was zu trinken? Zum dritten Geburtstag? Nein, das geht nun wirklich nicht«, widersprach Caroline. » Er sollte ein richtiges Fest haben, wie alle anderen auch.«
Pearl biss sich auf die Lippe. Durch seine unermüdliche gute Laune und den Wunsch der anderen Mütter, nicht als intolerant dazustehen, hatte Louis inzwischen die eine oder andere Einladung zu Geburtstagsfeiern bekommen, Pearl hatte sich die jedoch nur angesehen und sie schnell wieder weggelegt. Diese Veranstaltungen fanden alle an wirklich teuren Orten wie dem Zoo oder dem Naturkundemuseum statt, und sie war sich nicht sicher, ob sie sich das schon leisten konnte. Jetzt, wo das Café besser lief, hatte Issy ihr (gegen Mrs Precotts Rat, das war ihr klar) den Lohn erhöht, aber Pearl gab das Geld lieber für Dinge aus, die sie wirklich brauchten– wie zum Beispiel ein vernünftiges Bett für Louis, neue Laken und Handtücher, und nicht etwa für kostspielige Geschenke und teure Partys. Sie wusste ja nicht, dass die Eltern des Geburtstagskindes den Eintritt übernahmen, das hätte sie wohl noch mehr schockiert, wenn sie es erfahren hätte. Bislang hatte sie Louis immer ablenken können, aber langsam wurde er älter. Irgendwann würde er das alles verstehen und begreifen, dass er anders war, aber sie wollte diesen Moment lieber noch hinauszögern.
Und wenn in etwa einem Jahr die Schule losgehen würde, dann würde er sich ja gar nicht mehr von seinen Kameraden unterscheiden. Manchmal bekam Pearl Bauchschmerzen, wenn sie an die Grundschule in der Nähe der Sozialsiedlung dachte. Die Stadt bemühte sich wirklich, trotzdem umgaben Stacheldrahtzäune das Schulgebäude, es war von Graffiti übersät, und seit dem
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