Traummann mit Zuckerkuss
niemand bemerkt.«
Issy zuckte unbehaglich mit den Achseln. Sie würde wetten, dass Callie Mehta keine Mutter hatte, die durch die Gegend flatterte und stets versuchte, so viel Aufmerksamkeit wie möglich zu erregen.
» Wissen Sie, es ist noch nicht zu spät, um Ihr Leben völlig umzukrempeln. Sie sind da vermutlich anderer Meinung, aber«, Callie warf einen Blick auf das Papier auf dem Tisch vor ihr, » einunddreißig ist ja noch kein Alter. Das ist wirklich nichts. Und falls Sie irgendwann woanders wieder bei der gleichen Arbeit landen… dann fürchte ich, dass dieser Job Sie genauso wenig glücklich machen wird wie der bei uns. Und erzählen Sie mir jetzt bitte nicht, dass das gar nicht stimmt. Ich arbeite schon ziemlich lange in Personalabteilungen, und eins kann ich Ihnen sagen: Im Moment ist es für Sie das Beste, diesen Job hier zu verlieren. Weil Sie noch jung genug sind, um zu tun, was Ihnen wirklich Freude macht. Aber das ist jetzt vielleicht Ihre letzte Chance. Verstehen Sie, was ich meine?«
Issy spürte, wie ihre Wangen brannten. Sie konnte nur noch nicken, sonst wäre sie wohl völlig zusammengebrochen. Callie drehte an ihrem Ehering herum.
» Und… und Issy, es tut mir wirklich, wirklich leid, wenn Sie jetzt den Eindruck haben, dass mich das gar nichts angeht. Ich weiß, dass das nicht sehr professionell von mir ist. Ich sollte mich eigentlich nicht der Anschuldigung aussetzen, auf Bürotratsch etwas zu geben… aber ich möchte unbedingt noch etwas anderes ansprechen, und es tut mir leid, wenn das jetzt hart klingt: Es ist ziemlich riskant, darauf zu warten, dass irgendwann ein Mann auftaucht, der für Sie sorgt und sich schon um alles kümmern wird. Das kann durchaus passieren, und wenn Sie wirklich davon träumen, dann kann ich Ihnen nur wünschen, dass Ihnen dieses Glück zuteilwird. Aber wenn Sie stattdessen eine Aufgabe finden, die Sie begeistert, in die Sie gerne viel Arbeit stecken, auch wenn es nur für Sie selbst ist… das ist dann etwas wirklich Wertvolles.«
Issy schluckte heftig. Mittlerweile brannten selbst ihre Ohren.
» Mögen Sie denn Ihren Beruf?«, hörte sie sich fragen.
» Manchmal ist er schwierig«, gab Callie zu. » Aber er stellt immer eine Herausforderung dar und wird mir nie, nie langweilig. Können Sie von sich dasselbe behaupten?«
Callie schob ein Blatt Papier über den Tisch. Issy nahm es in die Hand und warf einen Blick darauf. Fast zwanzigtausend Pfund. Das war viel Geld! Eine Riesensumme. Das war wirklich genug Geld für einen Lebenstraum.
» Versuchen Sie bitte, nicht alles für Lippenstift und Schuhe auszugeben.« Mit dieser Bemerkung versuchte Callie offensichtlich, die Situation ein wenig aufzulockern.
» Nicht einmal ein bisschen?«, ließ Issy sich dankbar auf das Spiel und ihre Offenheit ein. Zwar hatte sie ihretwegen im Moment ganz gehörige Bauchschmerzen, aber ihr war klar, dass Callie es wirklich gut gemeint hatte.
» Ein kleines bisschen schon«, lächelte Callie. » Na klar.«
Und sie gaben sich die Hand.
Bei ihrem Ausstand unten im Coins war nicht gerade Partystimmung angesagt, die Atmosphäre erinnerte eher an eine Beerdigung. Auch den anderen acht, die gehen mussten, hatte man angeboten, ihren Urlaub zu nehmen, sodass es keinen Sinn hatte, hier noch länger als bis Ende der Woche auszuharren. Es machte die Qual ein wenig erträglicher, und das war wirklich ein Segen, dachte Issy. Dieser Pub war immer warm und gemütlich gewesen, ein Rückzugsort, an dem man dem hochmodernen Glaskasten mal für einen Augenblick den Rücken kehren konnte. Mit Wänden, die noch aus Zeiten vor dem Rauchverbot vergilbt waren, dem schlichten Frischgezapften und den Chipstütchen, dem gemusterten Teppichboden und dem fetten Wirtshund, der immer auf der Suche nach einem Leckerbissen war, sah er aus wie tausend andere Pubs in London, obwohl er inzwischen– ein wenig wie sie selbst– zu einer aussterbenden Spezies gehörte. Issy versuchte, die trübsinnige Stimmung abzuschütteln– es war wirklich rührend, wie viele Leute aus dem Büro gekommen waren, nur Graeme war natürlich nicht aufgetaucht. In gewisser Weise freute sie das, sie hatte nämlich keine Ahnung, wie sie reagieren würde, wenn sie sich je wieder zivilisiert mit ihm unterhalten sollte. Und das war auch ganz in Ordnung, immerhi n hatte er nicht einmal angerufen, um zu fragen, wie es ihr ging.
Um sieben war Bob aus dem Marketing sturzbetrunken, also lehnte sie ihn auf der Bank in einer Ecke an und
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