Traummann mit Zuckerkuss
Leuten.
Helena und Gramps machten ihr Mut und rieten ihr, den Kopf nicht hängen zu lassen, weil sie schon irgendetwas finden würde, aber das kam Issy nicht so vor. Sie fühlte sich von der Welt abgenabelt, wurzellos, als würde der Wind sie jeden Moment davontragen (und da half es auch nicht gerade, dass die Leute ihr mit Kommentaren wie » Warum nimmst du dir nicht ein Jahr frei und reist um die Welt?« kamen, so als wäre sie hier völlig überflüssig). Sie brauchte den ganzen Tag, um zum Kiosk rüberzugehen und eine Zeitung sowie ein paar Schokolinsen für einen Smarties-Kuchen zu kaufen. Sie erwischte sich dabei, wie sie traurige Figuren aus der Glasur formte, kleine Zuckerblumen mit braunen Blättern. Das war nicht gut. Sie hatte zu nichts Lust, wollte nicht einmal aus dem Haus gehen oder mit Gramps Scrabble spielen. Und natürlich meldete sich Graeme nicht. Auch das tat furchtbar weh. Issy wurde klar, dass sie weitaus mehr in diese Beziehung investiert hatte, als sie sich selbst eingestanden hatte.
Auch Helena fühlte sich mies. Natürlich war es schrecklich, ihre Mitbewohnerin so traurig zu sehen– mal abgesehen von allem anderen bedeutete es auch, dass ihr die beste Freundin zum Ausgehen und Spaß haben fehlte–, sie hatte aber ein großes Herz und verstand, dass Issy ihren Verlust erst einmal betrauern musste. Trotzdem hatte sie in der Wohnung eine harte Zeit, während all der trüben Januar- und Februartage war es schlimm, in das dunkle, kalte Apartment zu kommen, in dem Issy im Pyjama im Schlafzimmer hockte und sich weigerte, sich anzuziehen. Diese Wohnung war für sie immer ein Zuhause gewesen, und das hatte vor allem an Issy gelegen. Ihretwegen war es hier stets gemütlich und warm gewesen, und es hatte jederzeit etwas zu knabbern oder zu probieren gegeben. Wenn sie auf der Arbeit einen üblen Tag gehabt hatte, wollte Helena nur noch eins, sich auf dem Sofa zusammenrollen, dabei eine Tasse Tee schlürfen, eines von Issys Experimenten verdrücken und mit ihr tratschen. Das alles vermisste sie. Und deshalb hatte sie eben auch eigennützige Motive, als sie beschloss, dass es so nicht weitergehen konnte und Issy unbedingt eine liebevolle Standpauke brauchte.
Die Standpauke würde ihr nicht schwerfallen, dachte Helena eines Morgens, während sie ihre Feuchtigkeitscreme auftrug. Die Liebe war in ihrem Leben das Problem, zumindest im Moment, aber darüber würde sie sich später den Kopf zerbrechen, redete sie sich ein. In ihrem lilafarbenen Samttop, das sie, wie sie begeistert feststellte, wie eine gotische Madonna aussehen ließ, marschierte sie ins Wohnzimmer. Issy hockte im Schlafanzug im Halbdunkel und aß trockene Crunchy Nuts aus einer Schüssel.
» Schätzchen, du musst aus der Wohnung raus.«
» Das ist aber meine Wohnung.«
» Ich meine es ernst. Du musst irgendwas machen, oder du wirst noch eine von diesen Frauen, die nie das Haus verlassen, im Schlafzimmer weinen und Rindfleischcurry in sich reinstopfen.«
Issy schob die Unterlippe vor. » Ich wüsste nicht, warum ich auf dich hören sollte.«
» Weil du in einer Woche ein Kilo zugelegt hast?«
» Oh, na vielen Dank.«
» Ich meine, warum meldest du dich nicht als Freiwillige bei einer Wohltätigkeitsorganisation oder so?«
Issy starrte sie lange an.
» Wie soll mir das bitte schön dabei helfen, mich besser zu fühlen?«
» Es geht nicht darum, dass du dich besser fühlst. Im Moment geht es mir darum, dir eine Freundin zu sein, die Freundin, die du brauchst.«
» Eine fiese Freundin.«
» Die beste, die du im Moment kriegen kannst, fürchte ich.«
Neben Issy entdeckte Helena die pink gestreifte, durchsichtige Plastiktüte mit Smarties.
» Warst du etwa draußen? In dem Lädchen an der Ecke?«
Beschämt zuckte Issy mit den Achseln.
» Du warst im Schlafanzug einkaufen?«
» Hm.«
» Und was wäre, wenn du John Cusack über den Weg gelaufen wärst? Stell dir doch mal vor, John Cusack steht da und denkt sich gerade: Ich hab die Nase wirklich voll von all diesen Hollywoodschauspielerinnen, warum kann ich nicht mal eine richtige Frau kennenlernen, für die ein echtes Zuhause wichtig ist? So eine, die auch backen kann? Genau so eine Frau wie die da, aber natürlich nicht im Schlafanzug, denn der bedeutet ja wohl, dass die ihren Verstand verloren hat.«
Issy schluckte. Immer darauf vorbereitet zu sein, John Cusack über den Weg zu laufen, war Helenas wichtigstes Mantra, und zwar seit 1986, und deshalb verließ sie das Haus auch
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