Traummann mit Zuckerkuss
sie sich ein besonders leckeres Rezept für Erdnussbutter-Nutella-Kekse ausgedacht, die beinahe ihre allerliebste Cath-Kidston-Keksdose sprengten. Bald würde sie sich ihren Weg ins Freie futtern müssen.
Issy schloss die Augen, als der Bus um die Ecke bog. Das war doch lächerlich. Mit Lebensmitteln zu arbeiten brachte tausend Dinge mit sich, nicht nur, ein Lokal anzumieten. Da gab es gesundheitliche Aspekte, es ging um Sicherheit und Lebensmittelhygiene und Inspektionen und Gummihandschuhe und Standards und Arbeitsrecht, und das war völlig unmöglich und bescheuert, und sie wollte doch gar nicht in einem Café arbeiten.
Linda deutete mit einem Nicken zu der Frau vor dem Laden hinüber, die laut über die tollen Eigenschaften der Roten Bete dozierte.
» Ich weiß gar nicht, was das alles soll«, sagte sie, als sie gemeinsam in die Nummer73 stiegen. » Ich will morgens nichts weiter als eine schöne Tasse Kaffee.«
» Hm«, antwortete Issy.
Der Orientierungskurs, bei dem natürlich das Wort » arbeitslos« genauso wenig fiel, wie die Teilnehmer als » Versager« bezeichnet wurden, fand in einem lang gezogenen Konferenzraum eines unauffälligen Gebäudes nahe der Oxford Street statt, von dem aus man perfekte Sicht auf den Flagshipstore von Topshop am Oxford Circus hatte. Issy fand diesen verlockenden Blick auf ein Leben, das ihr von nun an verwehrt war, ziemlich unfair.
Im Raum saß etwa ein Dutzend Leute jeder Couleur, von den Optimisten und den Schmollern, die aussahen, als hätte man sie zum Nachsitzen verdonnert, bis hin zu denen, denen das Entsetzen ins Gesicht geschrieben stand. Und dann war da noch der Typ, der geschäftig in seinem Aktenköfferchen herumsuchte und sich die Krawatte glatt strich. Der hatte seiner Familie wohl noch nichts von seiner Entlassung erzählt und tat bestimmt so, als würde er weiterhin jeden Morgen zur Arbeit gehen. Mit einem verzerrten Lächeln schaute Issy in die Runde. Niemand setzte auch nur eine freundliche Miene auf. Das Leben war wirklich einfacher, dachte Issy, wenn man eine große Tupperdose mit Kuchen dabeihatte. Dann freute sich jeder, einen zu sehen.
Um Punkt halb zehn erschien eine müde wirkende Frau in den Fünfzigern mit ungeduldigem Gesichtsausdruck. Sie ratterte ihre Erklärungen derart gehetzt herunter, dass eines klar wurde– die Einzigen, die in dem aktuellen Klima an Überarbeitung litten, waren offensichtlich die Arbeitslosenberater.
» Um mit Ihrem positiven neuen Leben zu beginnen«, erklärte die Kursleiterin, » müssen Sie zunächst die Jobsuche als Ihre neue Arbeit ansehen.«
» Und zwar eine noch ätzendere als die, bei der man uns rausgeschmissen hat«, warf einer der jungen Männer streitlustig ein. Die Kursleiterin ignorierte ihn.
» Zunächst einmal sollte Ihr Lebenslauf sich von den zwei Millionen anderen abheben, die ständig in Umlauf sind.«
Die Trainerin verzog die Lippen zu etwas, was wohl ein Lächeln sein sollte.
» Und damit übertreibe ich nicht. Das ist die ungefähre Anzahl von Bewerbungen, die bei jedem Stellenangebot eingehen.«
» Na, jetzt fühle ich mich schon viel besser«, murmelte die junge Frau neben Issy. Issy sah zu ihr hinüber. Sie sah umwerfend aus, war allerdings ein wenig overdressed– mit pechschwarzen Locken, knallrotem Lippenstift und einem fuchsiafarbenen Mohairpullover, der ihre riesigen Brüste so gar nicht überspielte. Issy fragte sich, ob die sich wohl mit Helena verstehen würde.
» Also, wie macht man seinen Lebenslauf zu etwas Besonderem? Irgendeine Idee?«
Einer der etwas älteren Männer hob die Hand.
» Ist es in Ordnung, bei seinem Alter zu schwindeln?«
Die Trainerin schüttelte mit strenger Miene den Kopf.
» Es ist niemals erlaubt, in seinem Lebenslauf zu lügen, unter gar keinen Umständen.«
Die junge Frau neben Issy zeigte augenblicklich auf.
» Aber das ist doch bescheuert. Jeder lügt in seinem Lebenslauf. Und davon gehen auch alle aus. Wenn ich also die Wahrheit schreibe, wird man mich doch viel schlechter einschätzen. Und wenn die irgendwann rausfinden, dass ich gar nicht geschwindelt habe, dann halten sie mich erst recht für beschränkt. Das ist doch Schwachsinn.«
Am Tisch wurde genickt. Die Kursleiterin zog ihre Nummer trotzdem weiter durch.
» Sie müssen sich also von den anderen abheben. Manche Bewerber benutzen dafür besondere Schriftarten oder schreiben ihren Lebenslauf sogar in Reimform.«
Jetzt meldete sich Issy.
» Dazu würde ich gerne sagen, dass ich
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