Traummann mit Zuckerkuss
jahrelang Leute eingestellt habe und Lebensläufe mit solchem Schnickschnack immer schrecklich fand. Die sind bei mir sofort im Mülleimer gelandet. Wer hingegen keine Rechtschreibfehler gemacht hat, wurde sofort zum Bewerbungsgespräch eingeladen. Das kam allerdings selten vor.«
» Und bist du davon ausgegangen, dass die Leute im Lebenslauf lügen?«, fragte ihre Nachbarin.
» Na ja, ich habe in Gedanken immer ein paar Punkte von ihren Abschlussnoten abgezogen und nicht zu genau nachgebohrt, was ihre angebliche Leidenschaft fürs Autorenkino anging«, überlegte Issy. » Also, ja, ich denke schon.«
» Sehen Sie!«, triumphierte die junge Frau. Die Beraterin war inzwischen rot angelaufen und presste die Lippen aufeinander.
» Sie können mir ja erzählen, was Sie wollen«, sagte sie. » Schließlich sind Sie hier gelandet.«
In der Mittagspause suchten Issy und der Lockenkopf das Weite. » Das war ja so richtig übel«, knurrte die junge Frau, die sich als Pearl vorstellte. » Das war ja schlimmer als die Entlassung an sich.«
Issy lächelte dankbar. » Ich weiß.« Sie sah sich um. » Wo isst du zu Mittag? Ich dachte an die Patisserie Valerie.«
Die Patisserie Valerie war eine seit vielen Jahren in London ansässige schicke Konditorei-Kette, bei der einfach alles köstlich schmeckte und in deren Läden sich die Kunden drängten. Sie wollte unbedingt die Vanilleglasur dort probieren, von der sie schon so viel gehört hatte. Die junge Frau sah ein wenig verlegen drein, und Issy musste daran denken, wie teuer das Café war.
» Hm, ich lade dich ein«, fügte sie rasch hinzu. » Gott sei Dank war meine Abfindung großzügig bemessen.«
Pearl lächelte und überlegte, ob die Brote in ihrer Tasche wohl auch später noch schmecken würden. » Okay«, stimmte sie schließlich zu. Sie wollte immer schon mal das Lokal mit den tollen Hochzeitstorten besuchen, auf denen sich winzige Zuckerröschen tummelten, und den dramatisch dekorierten mehrstöckigen Kuchengebilden in der Auslage, aber es war dort jedes Mal so voll und stressig, man musste sich da durch die Menge schieben, und solche Orte vermied sie lieber.
In ihrer winzigen Nische mit hölzernen Wänden tauschten sie schließlich Horrorstorys aus, während schwarz gekleidete französische Kellnerinnen gekonnt Zitronentorten und Millefeuille über dem Kopf balancierten. Pearl war Rezeptionistin in einer Baufirma gewesen, die nach und nach den Bach runtergegangen war. Für die letzten zwei Monate hatte sie nicht einmal ihr Gehalt bekommen, und da sie allein ein Baby aufzog, war ihre Lage ziemlich verzweifelt.
» Ich dachte, das würde mir weiterhelfen«, erklärte sie. » Mein Sachbearbeiter vom Arbeitsamt hat mich hergeschickt. Aber das ist doch alles Mist, oder nicht?«
Issy nickte. » Das denke ich auch.«
Trotzdem erhob sich Pearl und schob sich bis zum Geschäftsführer durch die Menge.
» Entschuldigung, haben Sie vielleicht noch eine Stelle frei?«
» Tut mir sehr leid«, beteuerte der Mann charmant, » leider nicht. Außerdem sehen Sie ja selbst, dass wir ein wirklich kleines Lokal sind.«
Er deutete auf die winzigen Tischchen, die alle eng beieinanderstanden. Die ranken und schlanken Kellnerinnen schoben sich dazwischen durch. Pearl würde da keine Chance haben.
» Also wissen Sie, das tut mir wirklich leid.«
» O mein Gott«, schnaubte sie, » Sie haben ja völlig recht. Ich bin viel zu fett, um in einem Laden zu arbeiten, in dem Kuchen verkauft wird. Da würden die Kunden vor lauter schlechtem Gewissen ja nur noch Salat bestellen.«
Völlig ungerührt kehrte sie zu Issy zurück, die in den letzten drei Minuten rot angelaufen war, so peinlich war ihr das Benehmen des Geschäftsführers.
» Derselbe Spruch wie bei den Billigfluglinien. Ich darf nicht breiter sein als der Gang im Flugzeug.«
» Du bist doch nicht breiter als ein Flugzeuggang!«
» In den neuen Modellen, die sie bald einführen, schon. Da müssen dann alle stehen und werden zusammengepfercht wie Vieh. Sie legen dir einen Gurt um den Hals und befestigen ihn an der Wand.«
» Das stimmt doch gar nicht!«, widersprach Issy.
» Und ob«, grinste Pearl, » glaub mir. Sobald die Riemen die Dummys nicht mehr enthaupten, musst du den ganzen Weg bis nach Málaga stehen. Und zwar auf einem Bein, falls du vergessen solltest, deine Bordkarte zu Hause auszudrucken.«
» Na ja, ich fahre sowieso nie wieder in den Urlaub, das ist also auch egal«, meinte Issy. Dann wurde ihr klar, dass
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