Traummoerder
Kaffee?«
»Klar. Das wäre schön.«
Sie musterte ihn. Er war angespannt – keine Frage. Und es wurde immer schlimmer. »Hast du schon daran gedacht, Dr. Fineman anzurufen?«, fragte sie. Sie bot Dermot mit einer Hand den Kaffee an und massierte ihm mit der anderen den Nacken. Sie wusste, dass ihn die Frage aufregen würde, aber sie musste gestellt werden.
Dermots Antwort war abweisend wie gewöhnlich. »Ich brauche keinen verdammten Seelenklempner, Baby. Ich brauche Inspiration! Das fehlt mir.«
Neela massierte ihn seelenruhig weiter. »Ich mache mir nur Sorgen, Liebling. Die letzten Monate waren nicht leicht, und ich sehe doch, wie sehr du unter Druck stehst. Vielleicht ist es ja wirklich das Beste, du wirfst dieses Manuskript in die Tonne und entspannst dich.« Sie legte eine Pause ein. Dann: »Ich möchte dich nicht noch mal verlieren.«
Dermot sah auf. »Guter Gott, Neela, das ist acht Jahre her.«
Er hatte zwei Jahre an The Devil and the Hindmost geschrieben und steckte nach zwei Dritteln des Romans fest.
Esther schalt ihn aus, weil er einen Roman ohne die leiseste Ahnung, wie er enden sollte, überhaupt angefangen hatte; das machte seine Situation nur noch schlimmer. Nach sechs Monaten emotionalen Aufruhrs verschwand Dermot von einem Tag auf den anderen von der Bildfläche. Als Neela nach Hause kam, stellte sie fest, dass er einen Koffer gepackt und sich auf und davon gemacht hatte. Trotz aller Bemühungen – sie hatte sogar einen Privatdetektiv angeheuert – war er nicht aufzufinden.
Eines Tages kam er reumütig zurück und entschuldigte sich zerknirscht. Wo er in der Zwischenzeit gewesen war, behielt er für sich, aber er brachte das fertige Manuskript seines ersten Romans mit. Dr. Fineman erklärte, er hätte schlicht eine »Phase« durchlebt und vermutlich die beste Entscheidung getroffen, indem er sich für eine Weile aus allem ausgeklinkt hatte.
»Außerdem habe ich mir mit dem Roman einen Namen gemacht. Wer weiß, ob ich ohne ihn mit Incoming Tide eine Auszeichnung gewonnen hätte. Man muss schon mal aufgefallen sein, um überhaupt nominiert zu werden.«
Er deutete auf das Manuskript, das auf der Arbeitsplatte lag. »Und was schlägst du vor? Willst du, dass ich solchen Schund schreibe?«
»Irgendetwas musst du schreiben. Vielleicht kannst du dieses Genre nutzen, um in Übung zu bleiben. Versuch’s einfach.«
Zu Mittag gingen Dermot und Neela zum Flower Street Café, Wilshire, um Nick zu treffen. Die Stoßrichtung der Konversation hatte sich nicht geändert, und Nick tänzelte mit unglaublicher Diplomatie um das heikle Thema »Schreibblockade« herum.
»Bis zu einem gewissen Grad bin ich mit Neela einig«, sagte Nick, nachdem er seinen Burger und die Pommes aufgegessen hatte. »Warum denkst du nicht wenigstens über dieses Genre nach? Stephen King ist ein steinreicher Mann. Angenommen, er würde überfahren und wäre für immer dahin … Irgendjemand müsste die Fackel von ihm übernehmen.« Nick lachte leise, ehe er von seinem Pinot grigio trank. »Es ist das Manuskript, das dir der Spinner gebracht hat, stimmt’s?«
»Nun, es hat Neela zum Nachdenken veranlasst. Sie findet es raffiniert. Sehr raffiniert – trotz der primitiven Fassade.«
»Ja, das stimmt.« Neela verdrehte die Augen. »Mach doch eine Staatsaffäre draus.«
Die Serviererin kam mit der Rechnung an den Tisch. Sowohl Nick als auch Dermot zückten ihre Brieftaschen.
»Nein«, wehrte Nick ab. »Das übernehme ich.«
»Auf keinen Fall, Nick – wir machen getrennte Kassen«, protestierte Dermot. »Bis jetzt bin ich noch nicht vollkommen pleite. Falls es so weit kommt, sage ich dir Bescheid.«
»Okay, vergiss es nicht.«
Die Serviererin strahlte zum Dank für das Trinkgeld.
»Dieses Manuskript ist beunruhigend«, fuhr Dermot fort. »Ich verabscheue es jedes Mal, wenn ich es in die Hand nehme, ein bisschen mehr.«
Nick hielt eine Hand hoch. »Dermot, hör mir zu – angenommen, du verfasst ein Buch, das alle beunruhigt, das aber einfach jeder lesen muss. Die Leute können gar nicht anders. Was ist das dann? Ein Knüller? Ein Bestseller? Ein Edgar-Award-Anwärter?«
»Meine Rede, Nick«, erwiderte Neela. »Es würde sehr helfen, wenn Giselle noch da wäre, um Dermot zur Hand zu gehen. Ich weiß, dass ich meine Sache auch nicht schlecht mache, aber Giselle und Dermot waren wirklich das Dreamteam.«
Ein dunkler Schatten legte sich auf Nicks Gesicht. Neela drückte seine Hand. »Tut mir leid. Ich wollte nicht
Weitere Kostenlose Bücher