Traummoerder
Ideen?«
»Es ist ein Buch, Nick. Manch einer hielt Bram Stoker für geisteskrank, als er Dracula schrieb. Aber Stoker hatte literarischen Stil. Dieser Kerl bestimmt nicht.«
»Was passiert als Nächstes?«
Dermot las weiter: »›Ich nahm mir seine Frau Laura vor. Sie sah nicht schlecht aus. Ich begann, sie auszuziehen, und beobachtete, dass Nash uns nicht aus den Augen ließ. Mittlerweile kehrte das Gefühl in seinen Armen und im Oberkörper wieder – ich weiß das, weil er anfing, an den Fesseln zu zerren.‹ Bist du sicher, dass du mehr hören willst?«
Nick trank von seinem Bier. »Klar.«
»›Sie urinierte – das ärgerte mich, aber es gab kein Zurück mehr. Ich hob ihren nackten Körper hoch und stellte ihn gegen den Pfahl, um sie – wie ihren Mann zuvor – festzubinden. Jetzt konnte sie Nash sehen. Ich fragte ihn, wie er sich fühlte. Er zerrte vehement an seinen Fesseln, bockte wie ein Pferd, sein Gesicht war wutverzerrte«
»Du hast recht, dieser Schund ist ekelerregend und hat keinen literarischen Wert. Was für einen Sinn soll es haben, das zu lesen?«
»Der springende Punkt ist, dass Millionen Leser von solchem Zeug fasziniert sind. Die Leute sind fasziniert von Tsunamiwellen und schauen sich immer und immer wieder Amateurvideos von dem Bombenanschlag in Bali an – aus reiner Sensationslust. Unzählige kranke DVDs sind auf dem Markt – von Fliegern, die bei einer Flugshow in eine Menge von Frauen und Kindern krachen, und einstürzenden Gebäuden, die Menschen unter sich begraben. Denk nur an den Film über den Terrorangriff auf die Twin Towers – wie oft hast du den schon gesehen? Die Menschen, die aus den Fenstern fielen? Mein Gott, im Fernsehen laufen in letzter Zeit viele Sensationssendungen, in denen die Zuschauer gebeten werden, Videos von Katastrophen, die sie mit dem Handy gemacht haben, einzuschicken. Also, ja – es gibt einen echten Markt für solche Bücher. In dieser Hinsicht weiß Arnold, was er tut.«
Nick schwieg. Er wusste, dass Dermot recht hatte. Ihn faszinierte die Geschichte ja auch irgendwie.
»Soll ich weiterlesen?«
Nick nickte.
»›Bei Sonnenuntergang mache ich ein Feuer und hole das Kochzeug. Nash ächzt, und die Frau hat nicht mehr aufgehört zu heulen, seit ich sie festgebunden hatte. Ihre Haut ist von der Sonne verbrannt – der Körper ist übersät mit knallroten Wasserblasen. Ich führe mir ein Paar Chorizos zu Gemüte. Gebratene. Mann, waren die gut. Ich halte es für Zeitverschwendung, den Nashs Würstchen anzubieten – höchstwahrscheinlich wissen sie, dass sie bald sterben werden, und haben sicher keinen Appetit.
Gegen zehn Uhr spüle ich die Pfanne ab. Das Geheule der Frau geht mir allmählich auf die Nerven. Ich kann diese Art von Schwäche nicht ausstehen. Deshalb hole ich mein Bowiemesser aus der Tasche und schneide ihr die Zunge heraus … ’«
»Okay, ich glaube, ich habe mittlerweile einen ganz guten Eindruck …«
Dermot lachte. »Hey, es ist nur ein Buch!«, sagte er und imitierte dabei Nicks Stimme. »Das hast du vorhin selbst gesagt.«
Nick zuckte mit den Schultern.
»Na ja, Neela findet, ich soll solche Sachen schreiben, damit wir uns öfter ein Abendessen im Restaurant leisten können.«
»Ich glaube kaum, dass sie genau das gemeint hat«, entgegnete Nick. »So, wie ich es sehe, will sie, dass du knallharte Gruselthriller schreibst – in deinem eigenen Stil.«
»Ach, ist das so?«, gab Dermot zurück. »Das ist deine Ansicht.«
Nick merkte, dass Dermot immer ungehaltener wurde. »Jetzt muss ich leider los. Mein Klient möchte den Choma sehen, den ich heute gekauft habe.«
Dermots Gereiztheit legte sich augenblicklich. »Bist du sicher, dass du schon gehen musst? Neela wird bald heimkommen. Sie will Zitronen-Calamari zum Abendessen machen. Wieso bleibst du nicht?«
»Ich muss weg. Ich rufe dich später an.«
Gerade als Nick zur Tür ging, klingelte das Telefon.
»Dermot Nolan – wer spricht?«
Eine halbe Sekunde kam keine Antwort. Dermot legte die Hand über die Sprechmuschel und rief Nick aufgeregt zu. »Warte – das ist er!«
Nick kam zurück, und Dermot stellte das Telefon auf Lautsprecher. Die Stimme war kehlig und heiser wie die von Jack Palance mit einer schlimmen Bronchitis.
»Mein Name ist Albert, Mr. Nolan. Albert Kent Arnold.«
»Haben Sie das Manuskript in meinen Briefkasten gesteckt?«
»Leid bringt Erlösung«, lautete die Antwort.
»Ja, ich weiß. Das steht in dem Manuskript.«
»Es ist mein Tagebuch
Weitere Kostenlose Bücher