Traummoerder
Tore im Rückstand. Aussichtslos.
»Dann sehen wir uns das Buch mal an, Liebes. Wo ist es?«
Kapitel 36
Jeff Schipp arbeitete bei den LA Daily News. Er war achtundzwanzig Jahre alt, dünn wie ein Bleistift und schlecht angezogen. Er badete selten und rauchte zwei Päckchen Zigaretten am Tag. Er liebte seine Arbeit mit beinahe krankhafter Leidenschaft. Für ihn zählten Resultate, und wenn er eine Geschichte zu berichten hatte, dann ging Schipp den Einzelheiten auf den Grund, egal wie lange er dafür brauchte. Und meistens kam er ziemlich schnell vor. Er hatte ein kleines Kabuff in einem größeren Büro, das er mit Angela Perito, einer Kollegin, teilte. An diesem Tag streckte er den Kopf aus dem Fenster und wedelte den Zigarettenrauch mit Hilfe eines großen Kuverts aus dem Zimmer, als sein Telefon klingelte. Er fluchte und drückte die frisch angesteckte Zigarette wieder aus.
Perito schimpfte ebenfalls. »Mann, Jeff. Geh hinunter, wenn du rauchen willst. Ich bin schwanger!«
»Okay. Verstanden, Angela. Beim nächsten Mal.« Er hob den Hörer ab. »Ja? Hier Schipp.«
Schipp war daran gewöhnt, dass ihm wildfremde Menschen Informationen zukommen ließen. Auf diese Weise erhielt er die besten Tipps. Und er war Experte, wenn es galt, echte Informationen von falschen zu unterscheiden. Doch diesmal war die Stimme am anderen Ende der Leitung schwer zu deuten. Sie klang heiser und unheimlich.
»Haben Sie das Buch Worst Nightmares gelesen, Mr. Schipp?«
Das hatte er nicht, aber er hatte natürlich davon gehört. Alle Welt wusste mittlerweile von dem Buch.
»Warum? Wollen Sie mir Raubkopien anbieten?«
»Nein, Mr. Schipp – davon bin ich weit entfernt.«
»Nennen Sie mich Jeff. Aber kommen Sie zum Punkt, ja? Ich habe gerade eine noch fast neue Zigarette ausgemacht, um diesen Anruf entgegenzunehmen.«
»Ich bleibe lieber förmlich, wenn es Ihnen nichts ausmacht, Mr. Schipp. Die Zwanglosigkeit hebe ich mir für Karen auf.«
Schipp riss die Augen auf. Diese Bemerkung rüttelte ihn definitiv wach – seine Freundin hieß Karen. Woher wusste das dieser Kerl?
»Haben Sie Ihren Bleistift gut gespitzt, Mr. Schipp?«, fragte die kehlige Stimme. »Wenn nicht, würde ich das an Ihrer Stelle schnei! nachholen. Ich werde Ihnen einige Anweisungen geben. Ehe Sie die Grabstelle besuchen, die ich Ihnen jetzt beschreiben werde, möchte ich Ihnen raten, nicht allein hinzufahren.«
Schipp blieb der Mund offen stehen. Die Grabstelle? Was sollte das beißen?
»Vielleicht wären Sie besser beraten, wenn Sie ein Polizeiteam mitnehmen würden. Sie verstehen – Sie werden eine Leiche finden – keine frische. Sie liegt schon einige Zeit dort.«
»Wie ist Ihr Name, Sir?«
»Bitte unterbrechen Sie mich nicht, sonst spreche ich mit einem Ihrer Kollegen. Ich bin allerdings überzeugt, dass Sie es vorziehen würden, den …«, er legte eine Kunstpause ein, » … Knüller in Ihrem Blatt zu haben.«
Mittlerweile war Schipp richtig neugierig geworden.
»Bevor ich Ihnen präzise Angaben mache, möchte ich Ihre Aufmerksamkeit auf ein Kapitel des Buches lenken, das ich gerade erwähnte. Sehen Sie sich Kapitel zwölf genauer an, und wenn Sie es zu Ende gelesen haben, befolgen Sie meine Anweisungen.«
»Ich werde das Kapitel sofort lesen. Aber jetzt sagen Sie mir, was Sie für mich haben.«
Schipp wartete, doch der Anrufer schwieg eine ganze Weile.
»Sind Sie noch dran?«, fragte Schipp.
»Ja. Nebenbei – ich würde Riechsalz mitnehmen. Das könnte Ihnen von Nutzen sein.« Der Mann lachte leise. »Jetzt die Anweisungen: Fahren Sie zum Topanga National Park. Biegen sie rechts von der Cedar Line Road ab. Halten Sie an dem kleinen See. Stellen Sie Ihren Wagen in der rechten hinteren Ecke des Parkplatzes ab. Und dann gehen Sie genau eine halbe Meile nach Osten. Dort werden Sie zwei Pfähle sehen. Zwanzig Schritte nördlich des größeren Pfahls finden Sie das Grab. Dort sind zwei Tote begraben. Gareth und Laura Nash. Nolan hat ihnen in seinem Roman die Namen Alan und Nancy Wood gegeben. Nicht gerade kreativ für einen Booker-Prize-Gewinner.«
Schipp schrieb alles mit, Wort für Wort
Der Mann verstummte, unterbrach aber nicht die Verbindung. Nach einer Weile wiederholte er: »Vergessen Sie nicht, das Kapitel zu lesen, ehe Sie Nachforschungen anstellen. Und da ist noch etwas: Sollten Sie jemals mit Nolan ins Gespräch kommen, fragen Sie ihn, ob er schon mal in Shute gewesen ist.«
»Hey, woher kennen Sie den Namen meiner
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