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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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Jemand hatte Tomatensauce auf der Tischplatte verschüttet, und die Stelle wimmelte von Ameisen.
    »Hübsches kleines Schlupfloch!« zwitscherte Hanlon. »Preisgünstige Miete! Und Sie können den Baum ölen, wenn Ihnen das Knarren auf die Nerven geht.«
    »Sehr hübsch«, sagte ich.
    »Aber nicht hübsch genug, was?«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber gemeint«, zischte er. »Natürlich, wir könnten den Raum ausräuchern. Und Sie gleich mit!«
    Er knallte die Tür zu und stolzierte zum Haus zurück.
    Ich blieb eine Weile draußen, und als ich hineinging, waren die Steaks fertig. Hanlon hatte sechs Eier gebraten und war dabei, das Essen aufzutragen.
    »Bediene Seine Lordschaft zuerst!« sagte er zu Arkady.
    Er schnitt drei große Scheiben Brot ab und stellte eine Flasche Sauce auf den Tisch. Ich wartete, daß er sich setzte. Es war unerträglich heiß. Ich sah auf das Steak und die Eidotter.
    Hanlon sah mich eine ganze Minute lang an, zumindest kam es mir so vor, dann sagte er: »Graben Sie doch Ihre verdammten Zähne ins Fleisch!«
    Wir aßen schweigend.
    Hanlon hielt sein Steak mit der schlaffen Hand fest und schnitt es mit der gesunden Hand in Würfel. Sein Messer hatte einen Wellenschliff und zwei gekrümmte Zacken am Griff.
    »Für wen zum Teufel hält er sich eigentlich?« wandte er sich an Arkady. »Wer hat ihn gebeten, seine Oberschicht-Rotznase bei mir hereinzustecken?«
    »Du selbst«, sagte Arkady.
    »Tatsächlich? Nun, das war ein Fehler.«
    »Ich bin nicht Oberschicht.«
    »Aber einen Hauch zu schick für meine kleine Lunchparty! Lunch! So nennen sie es in Pongleterre! Lunch mit der Queen! Was?«
    »Hör auf damit, Jim«, sagte Arkady. Es war ihm sehr peinlich.
    »Das ist alles nicht persönlich gemeint«, sagte Hanlon.
    »Immerhin etwas«, sagte ich.
    »Nicht wahr?« pflichtete er mir bei.
    »Erzähl ihm von Maralinga«, sagte Arkady, bemüht, das Thema zu wechseln. »Erzähl ihm von der Wolke.«
    Hanlon hob seine gesunde Hand und schnalzte mit den Fingern, als wären es Kastagnetten.
    »Die Wolke! Aye, aye, Sir! Die Wolke! Die Wolke Ihrer Majestät. Sir Anthony-in-seiner-Eden-Wolke! Armer Sir Anthony! Hatte sich seine Wolke so sehr gewünscht! Da mit er dem Russki in Genf sagen konnte: ›Sieh her, alter Junge, auch wir haben unsere Wolke!‹ Er hatte natürlich vergessen, daß es beim Wetter doch tatsächlich so etwas wie Veränderungen gibt …! Sogar in Australien! Er hatte vergessen, daß der Wind in die falsche Richtung wehen könnte! Also ruft er Bob Menzies an und sagt: ›Bob, ich will meine Wolke sofort! Heute!‹ ›Aber der Wind …‹ sagt Sir Bob. ›Laß mich mit dem Wind in Ruhe‹, sagt Sir Anthony. ›Ich habe sofort gesagt!‹ Also haben sie die Vorrichtung hochgehen lassen – wie ich das Wort ›Vor richtung‹ liebe! –, und die Wolke, statt aufs Meer hin aus zusegeln und die Fische zu vergiften, ist land einwärts ge segelt, um uns zu vergiften! Und dann haben sie sie ver loren! Haben das Ding über Queensland verlo ren! Nur damit Sir Anthony ein nettes gemütliches Wol ken-Gespräch mit Genosse Nikita führen konnte. ›Ja, Genosse, es stimmt. Auch wir haben die Wolke. Allerdings haben meine Leute dort drüben sie für eine Weile ver loren! Haben auf diese Art ein paar Abos verdunsten las sen …‹«
    »Das reicht«, sagte Arkady mit fester Stimme.
    Hanlon senkte den Kopf.
    »Ach, Scheiße!« sagte er, und dann spießte er einen an deren Fleischwürfel auf und steckte ihn in den Mund.
    Niemand sagte etwas, bis Hanlon rülpste und sagte: »Bitte um Entschuldigung!«
    Er schob seinen Teller weg.
    »Krieg’ das Zeug nicht runter«, sagte er.
    Sein Gesicht hatte sich grau verfärbt. Seine Hand zitterte.
    »Irgendwas nicht in Ordnung?« fragte Arkady.
    »Ich hab’ einen Leistenbruch, Ark.«
    »Du solltest zu einem Arzt gehen.«
    »Ich war bei einem Arzt. Sie wollen mich aufschneiden, Ark.«
    »Das tut mir leid«, sagte ich.
    »Ich lass’ mich von denen nicht aufschneiden. Ist doch richtig, oder?«
    »Nein«, sagte Arkady. »Vielleicht solltest du doch hingehen.«
    »Na ja, vielleicht gehe ich hin.« Er schniefte kläglich.
    Nachdem weitere fünf Minuten vergangen waren, stand Arkady auf und legte seinen Arm schützend um die Schultern des alten Mannes.
    »Jim«, sagte er mit sanfter Stimme, »es tut mir leid, aber wir müssen jetzt leider gehen. Können wir dich irgendwo hinbringen?«
    »Nein«, sagte er. »Ich bleibe hier.«
    Wir schickten uns an zu gehen.
    »Bleibt noch

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