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Traumpfade

Traumpfade

Titel: Traumpfade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bruce Chatwin
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aus, als hätte ihn jemand aus dem Fahrzeug geworfen«, sagte der Polizist.
    Er war auf eine übertrieben dienstfertige Weise höflich. Sein Adamsapfel bewegte sich im Ausschnitt seines Khakihemds auf und ab. Es sei seine Pflicht, das würden wir sicher verstehen, ein paar Fragen zu stellen. Würde ein Schwarzer in Alice Springs überfahren, verlöre niemand auch nur einen Gedanken daran. Aber ein Weißer …!
    »Wo wart ihr Jungs also gestern abend um elf?«
    »In Alice«, sagte Arkady mit klangloser Stimme.
    »Recht herzlichen Dank!« Der Polizist legte eine Hand an den Hut. »Brauche euch nicht länger aufzuhalten.«
    All das sagte er, indem er in unser Auto sah, ohne seinen Blick von unseren Passagieren abzuwenden. Die Passagiere ihrerseits taten so, als wäre er Luft, und starrten mit reglosen Gesichtern in die Landschaft.
    Der Polizist ging zu seinem klimatisierten Fahrzeug. Arkady drückte auf die Klingel, um die Bedienung zu rufen. Er klingelte wieder. Er klingelte ein drittes Mal. Niemand kam.
    »Sieht so aus, als hätten wir einen längeren Aufenthalt vor uns«, sagte er achselzuckend.
    »Sieht ganz so aus«, stimmte ich zu.
    Es war drei Uhr nachmittags, und die Gebäude schwammen in der Hitze. Das Hotel hatte einen toffeebraunen Anstrich, und auf dem Wellblechdach standen in großen weißen Buchstaben, von denen die Farbe abblätterte, die Wörter BURNT FLAT. Auf der Veranda stand eine Voliere mit Wellensittichen und Rosellapapageien. Die Schlafräume waren mit Brettern vernagelt, und auf einem Schild stand: »Das Geschäft ist zu verkaufen«.
    Der Name des Besitzers war Bruce.
    »Macht keinen Gewinn mehr«, sagte Arkady, »seit sie ihm die Ausschankgenehmigung entzogen haben.«
    Bruce hatte, bis das Gesetz geändert wurde, eine Menge Geld gemacht, indem er den Aborigines mit reinem Alkohol angereicherten Wein verkaufte.
    Wir warteten.
    Ein älteres Paar kam in einem Camper angefahren, und als der Ehemann auf die Klingel drückte, öffnete sich die Bartür, und ein Mann in Shorts kam mit einem an seiner Leine keuchenden Bullterrier nach draußen.
    Bruce hatte X-Beine, rotes Haar, einen schlaffen Hintern und ein ovales Kinn. Seine Arme waren mit Meerjungfrauen tätowiert. Er band den Hund fest, der unsere Passagiere ankläffte. Er glotzte Arkady an und ging, um das Paar mit dem Camper zu bedienen.
    Nachdem der Mann bezahlt hatte, fragte Arkady Bruce ausgenommen höflich: »Würden Sie uns bitte den Tank füllen?«
    Bruce band den Hund los und watschelte davon, wie er gekommen war.
    »Schwein!« sagte Arkady.
    Wir warteten.
    Der Polizist beobachtete uns aus seinem Fahrzeug.
    »Früher oder später müssen sie uns bedienen«, sagte Arkady. »So will es das Gesetz.«
    Zehn Minuten später öffnete sich die Tür wieder, und eine Frau in einem blauen Rock kam die Stufen herab. Sie hatte kurzes, vorzeitig ergrautes Haar. Sie hatte Kuchen gebacken, und der Teig klebte noch an ihren Fingernägeln.
    »Nehmen Sie’s Bruce nicht übel«, seufzte sie. »Er spielt heute verrückt.«
    »Ist das so ungewöhnlich?« Arkady lächelte, und sie zuckte die Achseln und atmete tief aus.
    »Gehen Sie rein«, sagte er zu mir, »wenn Sie etwas vom Lokalkolorit mitbekommen wollen.«
    »Gehen Sie nur«, drängte die Frau, als sie den Zapfhahn einhängte.
    »Haben wir noch Zeit?«
    »Zeit können wir machen«, sagte er. »Damit Sie sich bilden können.«
    Die Frau schob die Lippe vor und ließ ein verlegenes Lachen hören.
    »Ich sollte den anderen vielleicht etwas zu trinken holen«, schlug ich vor.
    »Tun Sie das«, sagte Arkady. »Ich hätte gern ein Bier.«
    Ich steckte den Kopf durch das Wagenfenster und fragte die anderen, was sie trinken wollten. Mavis sagte: »Orangensaft«, änderte jedoch die Meinung und wollte Orangen- und Mangosaft. Ruby wollte Apfelsaft. Big Tom wollte Pampelmusensaft, und Timmy wollte eine Cola.
    »Und ein Violet Crumble«, fügte er hinzu. Ein Violet Crumble ist ein mit Schokolade überzogener Riegel aus Zucker und Nüssen.
    Arkady zahlte bei der Frau, und ich folgte ihr in die Bar.
    »Und wenn Sie wieder rauskommen«, rief er hinter mir her, »sehen Sie nach rechts neben den Lichtschalter.«
    Drinnen warfen ein paar Männer von einem Straßenbautrupp Wurfpfeile, und ein Farmarbeiter, im Westernlook ausstaffiert, fütterte Münzen in einen Musikautomaten. Eine Menge Polaroidfotos waren an den Wänden befestigt: dicke nackte Menschen und eine Menge länglicher Ballons. Auf einem Schild stand: »Kredit

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