Traumpfade
so sehr wie Eichen, sondern eher wie Kakteen aussehen. Auch sie standen im Wasser. Arkady sagte, es sei Wahnsinn, weiterzufahren, aber wir fuhren weiter. Das schmutzige Wasser spritzte bis in die Fahrerkabine hoch. Ich knirschte mit den Zähnen, sobald die Räder sich im Leerlauf drehten, aber dann schlingerten wir wieder weiter.
»Am nächsten bin ich dem Tod durch Ertrinken bei einer plötzlichen Überschwemmung in der Sahara gekommen«, sagte ich.
Gegen Mittag erblickten wir den Lastwagen von Stumpy Jones. Er kam aus Cullen zurück, wo er die wöchentlichen Vorräte abgeliefert hatte.
Er bremste und lehnte sich aus dem Fenster.
»Hallo, Ark«, sagte er. »Willst du einen Schluck Scotch?«
»Da kann ich nicht nein sagen.«
Er reichte die Flasche herüber. Wir nahmen jeder ein paar Schluck und gaben sie ihm zurück.
»Hab’ gehört, du hast eine Verabredung mit Titus?« sagte Stumpy.
»Ja.«
»Na dann viel Glück.«
»Er ist doch hoffentlich da? «
»O ja, darauf kannst du dich verlassen.«
Stumpy Jones war ein grauhaariger Mann mit grünen Augen und enormem Bizeps, und er hatte »ein bißchen Schwarz abgekriegt«. Er trug ein rotkariertes Hemd. Seine linke Gesichtshälfte war gelbliches, vernarbtes Gewebe. Auf dem Anhänger transportierte er einen Wohnwagen, der zur Modernisierung nach Alice geschickt wurde. Er stieg aus, um die Vertäuung zu überprüfen. Seine Beine waren so kurz, daß er sich mit einer Hand am Türrahmen festhalten mußte, um sich vorsichtig auf die Erde herunterzulassen.
»Glückliche Landung«, winkte er uns zu. »Ihr habt das Schlimmste hinter euch.«
Wir fuhren weiter durch einen, wie es schien, endlosen See.
»Was ist mit seinem Gesicht passiert?« fragte ich.
»Von einer Schlange gebissen«, sagte Arkady. »Vor etwa vier Jahren. Er stieg aus, um einen Reifen zu wechseln, und das Mistvieh hatte sich um die Achse geschlängelt. Er hat es überstanden, aber dann vereiterte die Wunde.«
»Mein Gott!« sagte ich.
»Stumpy ist unverwüstlich.«
Einige Stunden später sahen wir eine Herde vom Platzregen triefender Kamele, und dann konnten wir durch den feuchten Dunst den runden Höcker von Mount Cullen erkennen, der aus der Ebene aufragte. Als wir näher kamen, wechselte die Farbe des Berges von Grau zu Purpurrot: die Farbe von nassem roten Sandstein. Ein paar Meilen weiter war ein Abhang von glatten, facettierten Klippen, die sich an dem einen Ende zu einem Gipfel emporhoben und dann nach Norden hin allmählich abfielen.
Das, sagte Arkady, sei der Mount Liebler.
Auf einem Sattel zwischen diesen beiden Bergen lag die Siedlung Cullen.
Wir fuhren die Rollbahn entlang, vorbei an den Wohnwagen der weißen Berater, zu einem Wellblechhaus, vor dem eine Tanksäule stand. Die Sonne war hervorgekommen, und es war heiß und stickig. Ein Rudel Hunde zankte sich um ein paar Abfälle. Es war kein Mensch zu sehen.
Zwischen den Büschen verstreut lagen eine Anzahl Hütten, aber die meisten Pintupi zogen es vor, im Windschatten von Dornengestrüpp zu leben. Ein paar Wäschestücke waren zum Trocknen aufgehängt.
»Wer würde auf den Gedanken kommen«, sagte Arkady, »daß dies eine blühende Gemeinde von vierhundert Seelen ist?«
»Ich nicht«, sagte ich.
Der Laden war geschlossen.
»Wir gehen besser und holen Rolf aus dem Bett.«
»Wer ist dieser Rolf?«
»Rolf Niehart«, sagte er. »Sie werden schon sehen.«
Er steuerte den Landcruiser zu einem Wohnwagen, der zwischen ein paar Bäumen stand. In einem Schuppen daneben summte ein Generator. Arkady ging um die Pfützen herum und klopfte an die Tür.
»Rolf?« rief er.
»Wer ist da?« antwortete jemand mit verschlafener Stimme.
»Ark!«
»Ha! Der große Humanitätsapostel in Person!«
»Das reicht für heute.«
»Ihr ergebenster Diener.«
»Mach auf.«
»Bekleidet oder unbekleidet?«
»Bekleidet, du kleines Monster!«
Nachdem er einige Augenblicke herumgekramt hatte, erschien Rolf in der Tür des Wohnwagens, frisch gewaschen und wie aus dem Ei gepellt, wie jemand am Strand von Saint-Tropez, in abgeschnittenen Jeans und einem gestreiften französischen Matrosenhemd. Er war winzig – kaum größer als ein Meter fünfundzwanzig. Er hatte einen beachtlichen Zinken, aber am eindrucksvollsten war die Farbgebung: einheitlich bernsteinfarben – goldener, sandgelber Bernstein: die ruhig und spöttisch blickenden Augen, das Haar en brosse, sehr französisch, die gebräunte, eingefettete und faltenlose Haut, ohne jeden Pickel, ohne
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