Traumpfade
begrüßt, in ihr Land zurückzugehen – und als ihre einzige Hoffnung, sich vom Alkoholismus zu befreien. Er haßte die Unternehmungen der Bergbaugesellschaften.
Laut Gesetz behielt sich die Regierung das Recht auf alle unterirdischen Mineralien sowie auf die Vergabe von Schürflizenzen vor. Doch mußten die Gesellschaften, wenn sie in Aborigine-Land Sondierungen durchführen wollten, die »traditionellen Besitzer« zumindest zu Rate ziehen und, wenn der Abbau begann, ihnen Tantiemen zahlen.
Titus erwog das Für und Wider und kam dann zu dem Schluß, daß das Geld, das aus dem Abbau von Mineralien stammte, schlechtes Geld war – schlecht für Weiße und schlecht für Schwarze. Es hatte Australien korrumpiert und ihm falsche Wertvorstellungen und einen falschen Lebensstandard gegeben. Wenn eine Gesellschaft die Genehmigung bekam, seismische Drähte durch sein Land zu legen, strafte er sie mit Verachtung und passiver Verweigerung der Zusammenarbeit.
Diese Haltung war nicht dazu angetan, ihm Freunde zu gewinnen, weder unter den weißen Geschäftsleuten noch unter den ehrgeizigen Schwarzen in Alice. Sie war auch der Grund für den gegenwärtigen Streit.
Um 1910 hatte Titus’ Großvater bei Verhandlungen mit einem Loritja-Klan, der jetzt in der Amadeus-Mission lebte und sich Amadeus-Sippe nannte, zwei Sätze Tschuringas ausgetauscht. Der Austausch hatte ihnen das Recht verliehen, die gegenseitigen Jagdgründe zu betreten. Da die Tschuringas nie zurückgegeben wurden, war das Abkommen noch gültig.
Eines Tages, zu einem Zeitpunkt, als die Bergbaugesellschaft alle Hoffnungen auf eine Einigung mit Titus aufgegeben hatte, tauchte eine Delegation aus Amadeus in Alice auf und erklärte, sie und nicht er seien die »Besitzer« des Landes und seiner Lieder – und sie hätten deshalb einen Anspruch auf die Bergbautantiemen. Sie hatten in betrügerischer Absicht an den Tschuringas herumgepfuscht und ihre eigenen totemistischen Zeichen eingraviert. Mit anderen Worten, sie hatten Titus’ Besitzurkunde gefälscht.
Titus, der Arkady nur vom Hörensagen kannte, hatte ihm eine Nachricht mit der Bitte um Hilfe geschickt.
Arkady war, als er in Alice mit dem Fall bekannt gemacht wurde, versichert worden, daß es sich nur um einen Geldstreit handle. Aber wie sich herausstellte, war Titus das Geld völlig gleichgültig. Die Situation war viel gefährlicher, weil die Amadeus-Sippe durch die Veränderung der Tschuringas versucht hatte, die Schöpfung neu zu schreiben.
Titus erzählte Arkady, daß er nachts das Rachegeschrei seiner Ahnen hörte – und daß er sich gezwungen fühle, ihnen zu gehorchen.
Arkady seinerseits sah die dringende Notwendigkeit ein, die Übeltäter zu veranlassen, ihr Sakrileg »rückgängig« zu machen, mußte aber erst einmal Zeit gewinnen. Er schlug Titus vor, ein paar Tage Urlaub in Alice zu machen. »Nein«, sagte Titus grimmig, »ich bleibe hier.«
»Dann mußt du mir eins versprechen«, sagte Arkady. »Unternimm nichts, bevor ich zurückkomme.«
»Versprochen.«
Arkady war überzeugt, daß er das Versprechen halten würde; aber was ihn schockierte, war der Gedanke, daß die Aborigines von nun an ihre eigenen Gesetze verdrehen würden, um an Geld zu kommen.
»Und wenn das die Zukunft ist«, sagte er, »dann kann ich ebensogut aufstecken.«
Am selben Abend bestand Estrella darauf, »für den Dachdecker einen estofado « zu machen, und während wir in ihrem Wohnwagen warteten, hörten wir ein paar Regentropfen auf das Dach klatschen. Ich blickte nach draußen und sah über dem Mount Liebler eine geballte Wolkenmasse hängen, an deren Rändern blitzende Pfeile sprühten.
Ein paar Minuten später schlug der Sturm in strömenden Regen um.
»Mein Gott«, sagte Arkady, »wir werden wochenlang hier festsitzen.«
»Mir würde das gefallen«, sagte ich.
»Tatsächlich?« zischte er. »Mir nicht.«
Einmal mußte er die Sache mit Titus erledigen. Dann war da Hanlon. Und dann wurde Arkady in vier Tagen in Darwin erwartet, wo er eine Verabredung mit dem Ingenieur der Eisenbahngesellschaft hatte.
»Das haben Sie mir nicht gesagt«, sagte ich.
»Sie haben mich nie danach gefragt.«
Dann brannte der automatische Schalter des Generators durch, und wir saßen im Halbdunkel. Der Regen prasselte etwa eine halbe Stunde lang und hörte ebenso plötzlich auf, wie er angefangen hatte.
Ich ging nach draußen. »Ark«, rief ich, »Sie müssen rauskommen.«
Zwei Regenbögen hingen zwischen den beiden Bergen über
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