Traumreisende
Scheune, um zu sehen, was an diesem Tag ausgeräumt worden war. »Mir liegt wirklich nichts an dem alten Zeug, das ihr da sortiert habt. Mein Dad hat ein Versteck mit Selbstgebranntem drüben in der anderen Scheune«, sagte Nancy. »Er glaubt, ich wüsste das nicht. Komm mit, ich zeig's dir.«
Sie gingen in die Scheune, in der das Heu gelagert wurde. Dort stand ein alter Holzschrank, dessen Anstrich abblätterte. Sie öffnete die Tür und nahm eine Flasche heraus.
»Wir können uns dort hinsetzen«, sagte sie und ging in eine Ecke, wo Heu lag, während sie den Verschluss der Flasche öffnete.
»Das ist wohl keine gute Idee«, meinte Geoff und sah sich in der fremden Umgebung um. »Dein Dad könnte wütend werden.«
»Nein. Ich kenne meinen Dad. Der wird das Geschirr abwaschen, sich ein Radioprogramm anhören, auf der hinteren Veranda die Wäsche auf die Leine hängen und zu Bett gehen.
Er wird nicht mal nach uns suchen. Das tut er nie.« Sie hatte recht. Sie tranken das Selbstgebrannte Gebräu, und Nancy erzählte ihm, wie langweilig und elend es wäre, im Mittleren Westen zu leben. Sie öffneten eine zweite Flasche. Irgendwann während der Nacht wachte Geoff auf und sah, dass Nancy gegangen war. Er kehrte ins Haus zurück und legte sich ins Bett. Er hoffte, dass sie dasselbe getan hatte.
Der zweite Tag verlief genauso wie der erste. Der einzige Unterschied lag in den Geschichten, die Lyle über jede der Antiquitäten erzählte. Da gab es drei geschliffene Spiegel, jeder ein Meter achtzig hoch, die man aus einem Hotelzimmer gerettet hatte, sowie eine Bar aus Walnussholz mit einer Fußstange aus Messing, zu der die Spiegel gehört hatten.
Später fanden sie auch noch schmutzige, mit blauem Samt bezogene Polstersessel, deren Rosshaarfüllung durch den Bezugsstoff drang. Lyle blies dicken Staub von einer schwarzen Kassette, die er öffnete. Sie enthielt merkwürdig geformte Waffen. Es waren Duellpistolen. Er erklärte, dass Männer Streitigkeiten früher gelöst hätten, indem sie aufeinander schössen.
Zum Mittagessen gingen sie in die Küche, und Lyle machte Sandwiches und öffnete eine Dose Suppe. Beim Essen starrte er aus dem Fenster. Es war still im Raum, bis er endlich sagte:
»Ich habe ein gutes Leben, junger Mann. Ja, ich habe viel Glück. Mir gehört das Dach über meinem Kopf. Ich besaß die Liebe einer guten Frau. Alle meine Kinder sind gesund. Die Landarbeit ist hart, aber meistens kann ich fischen gehen, wann immer ich will. Ich hoffe, du findest deine Berufung. Ich hoffe, du wirst auch ein gutes Leben haben.«
An diesem Nachmittag hielt der gelbe Schulbus an der Straße zu Moores Haus, und Nancy kam langsam herein. Sie sah, dass Geoff von der Scheune aus zu ihr hinüberblickte, doch sie gab ihm nicht zu verstehen, dass sie ihn wiedererkannte. Als die Männer mit der Tagesarbeit fertig waren und hereinkamen, um sich zu waschen, war sie oben in ihrem Zimmer. Man hörte laute Musik, und es klang, als tanzte sie. Sie machte keinen Versuch, ihrem Vater zu helfen, der wieder die Abendmahlzeit zubereitete und die schmutzige Kleidung in die Waschmaschine steckte.
Nach dem Abendessen gingen Nancy und Geoff zum Heuschober und dem Schrank in der Ecke. Nancy war guter Laune. Sie hasste die Schule, sie hasste diese Farm, sie hasste diese Stadt, aber der heutige Tag war ein guter Tag gewesen. Sie war für eine Rolle in dem Theaterstück ausgewählt worden, das im Frühling in der Schule aufgeführt werden sollte. »Warum hast du deinem Vater nichts davon erzählt?« fragte Geoff, als er die Flasche kippte, um den ersten Schluck zu nehmen.
»Das interessiert ihn nicht. Du kennst meinen Dad nicht. Meine Mum war die erste, die sich um solche Sachen kümmerte. Sie wäre gekommen, um mich spielen zu sehen. Aber jetzt kann sie mich nicht mehr sehen. Ich glaube nicht, dass die Toten wissen, was mit uns geschieht. Und du?«
»Ich weiß nicht. Mein Stiefvater war Prediger. Er redete viel über Sterben und Himmel und Hölle, aber er war ein solcher Heuchler, dass ich ihm nicht mehr zugehört habe. Ich habe lange nicht über solche Dinge nachgedacht.«
»Also, ich glaube, hier kann uns keiner sehen«, sprach Nancy weiter. »Obwohl ich den Leuten gern etwas zu sehen geben würde. Wie ist es mit dir?« Sie knöpfte ihre Bluse auf und fing an, sie auszuziehen. »Ich habe vor dir noch nie einen Neger gesehen. Zieh dich aus.«
»Ich bin kein Neger«, antwortete Geoff. »Ich bin Australier.«
»Oh, es ist mir egal, wo
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